Von Kleist und toten Tieren

DUDELDORF. Drei tote Schafe, ein gesperrter Weg und ein Mann, der den Unmut eines Eifeldorfes auf sich zieht: Das Leben in Dudeldorf böte derzeit genügend Stoff für Romane.

"Ich fühle mich wie der Michael Kohlhaas der Eifel", sagt Ernst Lutsch. Anders als im Falle des Kleist'schen Helden entzündete sich sein Streit mit der Obrigkeit allerdings an Schafen und nicht an Pferden. Statt mit Schlossvogten oder Junkern hadert der Dudeldorfer Historiker mit Ortsgemeinderat und Verbandsgemeindeverwaltung.Begonnen hat die Geschichte auf einer Schafweide. Idyllisch liegt sie im sanft geschwungenen Tal, der Langebach plätschert vorbei, und die vier Apfelbäume auf der Weide tragen schwer unter der Last ihrer reifen Früchte. Die Weide ist nach Osten hin vom Bach, in alle anderen Richtungen von Zäunen begrenzt. An ihrem westlichen Rand verläuft ein breiter Feldweg. Er führt vom Untertor in Dudeldorf zur Bundesstraße 50. Eigentümer angrenzender Gärten, Spaziergänger, Radfahrer, Reiter und (verbotenerweise) auch Autofahrer nutzen diesen Weg.

Schafe stehen auf der Weide schon seit August nicht mehr. Lutsch lässt sie in der Nähe seines oberhalb im Ort gelegenen Hauses weiden. Aus Angst.

Es könne schon mal passieren, dass ein Schaf umkippt, sagt er. "Aber im August waren es drei, in diesem Jahr insgesamt schon fünf." Lutsch glaubt nicht an natürliche Ursachen. Gerüchte, zur gleichen Zeit seien Hunde auf der Weide zu Schaden gekommen, bestärkten seinen Verdacht. Äußerlich war keine Todesursache erkennbar. Deshalb bat Lutsch einen Dudeldorfer Tierarzt, die Schafe zu untersuchen. Weil dieser zu solchen Untersuchungen nicht berechtigt ist, riet er, die toten Tiere dem Veterinäramt in Koblenz zuzuschicken und auf Gifte untersuchen zu lassen. "Da könnte ich sie mir gleich vergolden lassen", sagt Lutsch. Er schickte sie nicht ein. Die Todesursache blieb im Dunkeln. "Schafe können auch an Würmern oder Koliken verenden", nennt der Tierarzt mögliche, äußerlich nicht sichtbare Ursachen eines natürlichen Todes. Im Falle mutwilliger Tötung wäre außer Gift denkbar, dass die Tiere zu Tode gehetzt wurden. Dies sei in Dudeldorf schon einmal passiert, sagt der Tierarzt.

Nachdem Michael Kohlhaas sich der Willkür der Mächtigen hilflos ausgeliefert sah - seine Rappen waren gepfändet, sein Knecht misshandelt, seine Frau ermordet worden - brannte er die Burg des Widersachers nieder und tötete alles, was sich ihm in den Weg stellte. Die Dudeldorfer Burg steht noch, Frau Lutsch lebt, und bislang kam auch sonst niemand zu Schaden. Lutschs Mittel sind weniger drastisch als die seines Kleist'schen Bruders im Geiste: Ende August sperrte er kurzerhand den Weg im Langbachtal. Ein Stacheldrahtzaun im Norden und einer im Süden. Dazwischen verläuft auf etwa 80 Metern gut sichtbar der Weg, der für alle anderen Dudeldorfer von nun an nicht mehr passierbar sein soll. Lutsch will seinen Besitz schützen. Zudem will er verhindern, dass auf dem Grundstück weiteres Unheil geschieht, für das man ihn als Eigentümer zur Verantwortung ziehen könnte.

Mühlen der Bürokratie mahlen langsam

Der Zaun wurde seitdem zehn Mal wieder eingerissen. "Die Leute sind sauer", sagt Ortsbürgermeister Reinhard Becker. Lutsch hat ihn immer wieder aufgestellt. Er sieht sich im Recht: Für sein Grundstück - und der Weg liegt auf seinem Grundstück - ist im Grundbuch keine Dienstbarkeit eingetragen, die ihn dazu verpflichten würde, einen Weg zu dulden.

Trotzdem vermerkt der jüngste Katasterplan eine solche Dienstbarkeit. Nun haben sich die Mühlen der verwirrten Verwaltung in Bewegung gesetzt, um herauszufinden warum. "Es wäre möglich, dass über die Flurbereinigung, deren Festsetzungen Satzungscharakter haben, eine Dienstbarkeit besteht", teilte die Verbandsgemeinde mit. Die Unterlagen liegen in Koblenz. Bis sie in die Eifel kommen, können Wochen vergehen. Solange bleibt unklar, ob die erzürnten Dudeldorfer oder der geschädigte Schafhalter im Recht sind. Michael Kohlhaas jedenfalls erhielt Recht - und wurde zum Tode verurteilt.

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