Wahrsager, Skelette, Dragoner

RITTERSDORF. (kah) Johannes Wirtz führt im Heimatmuseum der Burg Rittersdorf durch die Geschichte des Eifelortes. Sie ist untrennbar mit der seinen verwoben.

In seinem Wohnzimmer steht ein alter, schwerer Eichentisch, auf der verblassten längsgestreiften Tapete hängen Ehrenurkunden und neben der Küchentüre die leicht vergilbte, oval gerahmte Fotografie eines Paares. Die Frau hat sich ihrem preußisch gestreng wirkenden Gatten leicht zugewandt und blickt dennoch wachen Auges in die Kamera. Sie trägt ein langes, schwarzes Samtkleid. Die Frau ist Johannes Wirtz' Tante. Seit etwa 20 Jahren führt der 79-Jährige Besucher aus aller Welt durch die Gemächer des Rittersdorfer Heimatmuseums. Seiner Tante hat er die Erinnerung an viele der Geschichten zu verdanken - Geschichten vom heimischen Wahrsager, verschwundenen Wickelkindern und spukenden Freiern. Das Heimatmuseum befindet sich im Herrenhaus der Rittersdorfer Wasserburg. Ein Besuch wird zum Ausflug in die Geschichte der Burg, der untrennbar mit jenem in die Geschichte Johannes Wirtz' verbunden ist. In seiner Freizeit hat Wirtz selbst beim Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Burganlage mit angepackt. So manches Exponat des Heimatmuseums kennt er schon vom elterlichen Hof, wie die neben einem alten Holzbett hängende "Reizwäsche" der Großmutter oder die Getreidereinigungsmaschine. Mit einer als Dragoner-Hauptmann verkleideten Schaufensterpuppe scheinen den Museumsführer fast verwandtschaftliche Bande zu verknüpfen. "Das ist Burgherr Graf Johann Theodor Scheffer", sagt Wirtz über den in eine rot-blaue Uniform gewandeten Plastik-Dragoner. Dessen Tochter Anna Maria heiratete um 1712 den Advokaten Johannes Wirtz von Sankt Vith - Wirtz' Urahnen. "Da war der Adel weg", sagt der Mann, der heute als einer der wenigen den Schlüssel zur Burg hat und lächelt verschmitzt. Und dann berichtet er von "dem guten Schutzengel", einer alten Frau, die ihn und einen Kameraden vor rund 60 Jahren davor bewahrte, im dunklen Wald doch wieder den Russen in die Arme zu laufen. Neben dem Grenadier hängt ein Memoriam der Rittersdorfer Kriegsgefallenen - für jeden eine kleine Tafel mit Name und Foto. "Damit hatte ich letztes Jahr viel Arbeit", sagt Wirtz. Auch an die Kinder hat er gedacht. Sie dürften mit dem Geist im Wäscheschrein, den gewaltigen Spinnweben im zugigen Wehrturm und einem im Burgverlies baumelnden Piraten-Skelett ihr schauriges Vergnügen haben. "Mein ungewöhnlichster Gast war ein nordamerikanischer Indianer, der kein Englisch konnte und nach Rittersdorf gekommen war, weil sein Großvater auch Wahrsager war", sagt Wirtz und lächelt bei der Erinnerung an einen von vielen begeisterten Burg-Besuchern. Führungen im Heimatmuseum Rittersdorf auf Anfrage bei Johannes Wirtz, zu erreichen nach 18 Uhr unter Telefon 06561/3411. Der Eintritt kostet für Erwachsene zwei, für Kinder einen Euro.

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