Wenn Bello nach seinem Herrchen schnappt

IRMENACH. Wenn Hunde sich auffällig verhalten, aggressiv werden oder sonst wie "gestört" sind, kann ein Tierarzt nur bedingt helfen. Es sei denn, er hat die Zusatzausbildung "Verhaltenstherapie" - so wie Sonja Schmitt aus Irmenach.

Schäferhund Max hat Zahnschmerzen, Terrier Jessy humpelt, Kater Moritz hat sich mit einem Rivalen gestritten und trägt eine tiefe Fleischwunde auf dem Rücken. Um solche Wehwehchen kümmern sich die Tierarztpraxen täglich. Doch was tun, wenn der Vierbeiner plötzlich nach seinem Herrchen schnappt und ihn ständig anknurrt? Hier kann oft nur eine Verhaltenstherapie helfen. Tierärztin Sonja Schmitt, die zusammen mit Tina Caspari in Irmenach eine tierärztliche Gemeinschaftspraxis führt, hat sich auf die Behandlung von Hunden und Katzen mit Fehlverhalten spezialisiert. "Fehlverhalten" - dieses Wort ist eigentlich falsch, klärt Sonja Schmitt auf. Dass ein Hund aggressiv ist, sei normal und liege in seiner Natur. Zu einem Problem wird es, wenn es sich um ein "störendes Verhalten" handelt, also der Hund beispielsweise in bestimmten Situationen "grundlos" Menschen anknurrt oder sogar nach ihnen schnappt. Sonja Schmitt erzählt von einem Schäferhund, der plötzlich sein Frauchen mit mehreren Bissen so schwer verletzte, dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Der Hund biss zu, als die Brille vom Tisch fiel und die Frau danach griff. Die Ursache für ein solches Verhalten liegt oft weit zurück. So auch in diesem Beispiel. Der Hund musste im Alter von acht Monaten wegen einer Wachstumserkrankung operiert werden. Etwa acht Wochen durfte er sich kaum bewegen. Verständlich, dass in dieser Zeit auch die Familie besonders vorsichtig mit ihm umging und ihn in Ruhe ließ. Sonja Schmitt: "Der Hund wurde nur noch so angefasst, wie er das haben wollte. Bei jeder Berührung hat er dann später geknurrt." Wichtig in der Hunde-Erziehung ist, dass der Hund während seiner "Sozialisation" (Gewöhnung an die belebte Umwelt in den ersten zwölf Lebenswochen) mit möglichst vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt kommt. So ist leicht verständlich, dass Hunde oft auf Menschen mit einem Stock nervös reagieren. Das gilt auch für den neue Trendsport "Nordic-Walking", bei dem Wanderer zwei lange Stöcke mitführen. Die meisten Hunde kennen das nicht. Wenn Sonja Schmitt eine Therapie beginnt, müssen die Hundebesitzer zunächst einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen, um die Vorgeschichte des Vierbeiners zu erkunden. Danach kommt die Tierärztin in der Regel in das Haus, in dem der Hund lebt. Sonja Schmitt versucht zunächst, einen Kontakt aufzubauen und den Charakter einzuschätzen. Dabei achtet sie auf die kleinsten Hinweise: ob der Hund ängstlich oder aggressiv ist, was ihm Angst macht, auf was er aggressiv reagiert.Erst das Herrchen, dann der Hund

In sehr vielen Fällen stellt sich heraus, dass der Hund einfach neu oder wieder lernen muss, auf Befehl zu gehorchen. Hier setzt in der Regel auch die Therapie an. Sonja Schmitt: "Es muss stets klar sein, dass der Hund von seinem Besitzer alles bekommen kann, aber der Hund muss vorher etwas dafür tun." Beispiel: Jedes Mal, wenn der Hund sein Futter bekommt, sollte er sich beispielsweise kurz hinsetzen müssen. Die Rangfolge muss immer klar sein: Oben das Herrchen, darunter der Hund. Ein Problem für Hunde kann auch Langeweile sein. Hunde sind gewohnt zu arbeiten, deshalb müssen sie gefordert werden. Hier liegt ebenfalls oft die Ursache für "störendes Verhalten". In manchen Fällen sind es organische Störungen, die das Tier aggressiv oder apathisch machen. Wie beim Menschen spielt hier die Schilddrüse eine große Rolle. Vor einer Verhaltenstherapie wird das mit einem Test in der Regel abgeklärt.

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