Wenn jede Sekunde zählt

BITBURG. Auf alle Eventualitäten vorbereitet: Das Clemens-August-Krankenhaus in Bitburg hat als erstes Krankenhaus in der Region den Katastrophenfall durchgespielt. Ein Patient wird mit Verdacht auf Vogelgrippe eingeliefert. Der TV schildert, was dann passieren wird.

10.25 Uhr. Ein Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) wird zu einem Notfall gerufen. Ein Mann klagt über hohes Fieber und Atemnot. Vor Ort bemerken die Helfer sofort: Es könnte sich um eine hochinfektiöse Krankheit handeln. Über die Rettungsleitstelle wird das Krankenhaus informiert. Der Notfallplan, der bisher graue Theorie war, wird plötzlich Realität, muss umgesetzt werden. Die Zeit läuft. Von nun an zählt jede Sekunde.Wie Astronauten an der Rampe

Die Pforte des Krankenhauses funkt den behandelnden Arzt an. Der informiert den Oberarzt, das Pflegepersonal, und er lässt die Pflegedirektorin benachrichtigen. Die wiederum informiert die restliche Krankenhauseinsatzleitung. Alles muss sofort abgeriegelt werden. Das Pflegepersonal schlüpft in die Schutzkleidung: ein wasserdichter Anzug mit Kapuze, Atemmaske, Schutzbrille, Schuhüberzug und Schutzhandschuhen - vorsichtshalber zwei übereinander. Wie Astronauten stehen sie an der Rampe. Jede Sekunde kann der Patient eintreffen. Jeder Handgriff muss dann stimmen. Adrenalin meldet sich. In Gedanken geht jeder noch mal den Weg von der Rampe bis ins Isolierzimmer auf Station zwei durch. Der Rettungswagen fährt vor. Sofort scharen sich mehrere Menschen, alle in Schutzanzügen, um den Patienten, der auf der Trage liegt. Er trägt eine Beatmungsmaske, sein Herzschlag wird von einer Maschine überwacht. Dr. Alexandre Marinkovic lehnt sich über den Patienten, stellt sich vor, erkundigt sich nach seinen Beschwerden. Kai-Uwe Pflügl ist vor fünf Tagen aus Hong Kong zurückgekehrt. Seit gestern hat er hohes Fieber, und er bekommt nur noch schwer Luft. Während sich der behandelnde Arzt weiter mit ihm unterhält, wird er über den abgesperrten Weg durchs Krankenhaus gefahren. Über den Aufzug gelangen sie auf Station zwei. Das Herz des Patienten rast. Er ist nervös. Im Isolierzimmer wird ihm Blut abgenommen. Dr. Marinkovic macht zwei Influenza-Schnelltests. Beide fallen positiv aus. "Was ist denn mit mir los? Was habe ich? Und warum tragt ihr alle so komische Anzüge?", fragt der verunsicherte Patient. "Es besteht die Gefahr, dass Sie an Vogelgrippe leiden", sagt Dr. Marinkovic und legt seine Hand beruhigend auf die des Patienten. "Das hat mir gerade noch gefehlt", lautet das Urteil des sichtlich geschockten Patienten. Das Isolierzimmer füllt sich. Der Leitende Oberarzt, Dr. Reiner Siebenborn, beobachtet das Prozedere genau. Hinzu kommen noch ein Anästhesist und eine Anästhesie-Schwester, alle in Schutzkleidung. Sonst darf niemand den Raum betreten - Infektionsgefahr! Kai-Uwe Pflügl wird an eine Beatmungsmaschine angeschlossen. Die Ärzte beraten kurz. Folgende Entscheidung muss getroffen werden: Bleibt der Patient hier, oder muss er nach Trier verlegt werden? Schnell wird klar: Da die beiden Influenzatests positiv waren, sollte der Patient nach Trier gebracht werden. Und auch das Gesundheitsamt in Trier muss über den Verdachtsfall informiert werden. Dr. Monika Opholt vom Gesundheitsamt ist hier das Bindeglied. Sie leitet alles Weitere in die Wege. Über denselben Flur, über den Kai-Uwe Pflügl auf die Station zwei gefahren wurde, wird er wieder zurück zum Krankenwagen gebracht. Tür zu. Übung vorbei. Erleichtert nehmen alle Beteiligten die Schutzmaske ab und ziehen die Anzüge aus. Der Schweiß steht allen auf der Stirn. "Diese Anzüge sind wasser- und luftdicht, da kommt man ganz schön ins Schwitzen", sagt Paul Schares, Hygienefachkraft und Organisator dieser Katastrophenübung. Mit dem Ablauf der Übung ist auch Dr. Diedrich Schlenkhoff, ärztlicher Direktor des Bitburger Krankenhauses, zufrieden: "Natürlich sind kleinere Fehler passiert, aber die waren auch sehr wichtig, damit wir aus ihnen lernen können." Vor allem an der strengeren Absperrung müsse noch gearbeitet werden, da sie von vielen nicht beachtet wurde. "Im Ernstfall werden wir alles so hermetisch abriegeln, dass da keiner durchkommt, der nicht auch durchkommen sollte", verspricht Schares. Sein Ziel lautet: "Eine solche Übung wollen wir zweimal im Jahr machen."

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