Wenn nichts mehr ist, wie es einmal war

Ein Kind geht, die Sehnsucht und die Hoffnung bleiben: Diese Erfahrung machen auch Heide Becker und Theresia Utters und ihre Familien, seit ihre Söhne bei Verkehrsunfällen starben. Weil sie aber auch spüren, dass der Austausch mit anderen Trauernden hilft, wollen die beiden Frauen eine Gruppe für "Verwaiste Eltern" in der Vulkaneifel ins Leben rufen. Erstes Treffen ist am 7. Juni.

Daun. Sie wohnen ein paar Kilometer voneinander entfernt, sind beinahe gleichaltrig und haben verwandte Berufsausbildungen: Theresia Utters aus Daun-Boverath ist 47, Heide Becker aus Sarmersbach ist 48; Sozialpädagogin ist die eine, Diplompsychologin die andere. Bevor sie durch ein ähnliches Schicksal enger zusammenrückten, kannten sie sich vom Sehen. Als Heide Becker im Januar 2006 den mittleren ihrer drei Söhne 18-jährig bei einem Verkehrsunfall nahe Darscheid verlor, lag der Tod des jüngsten der vier Kinder von Theresia Utters fast zehn Jahre zurück; der damals Achtjährige war bei einem Ungarn-Urlaub aus dem Auto von Bekannten geschleudert worden und zwei Tage später gestorben.Wer keinen Verlust erlebt hat, versteht die Eltern nicht

Beide Familien hatten und haben hilfreiche Verwandte und Freunde zur Seite. "Dennoch ist es den meisten Menschen, die selbst keinen derartigen Verlust erlebt haben, nicht möglich, trauernde Eltern wirklich zu verstehen", sagen Theresia Utters und Heide Becker, als sie im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund ihre Motivation zur Gründung einer Selbsthilfegruppe für "Verwaiste Eltern" (siehe Hintergrund) erläutern. Aus eigener Erfahrung wissen sie, dass Eltern, die ein Kind verloren haben, Kontakte und emotionale Unterstützung benötigen. Sie wollen Solidarität spüren. Sie brauchen einfühlsames und verständnisvolles Zuhören, besondere Ansprache, Wärme, Geborgenheit und die Sicherheit von Menschen, die das Erzählte aushalten können und keine Angst davor haben. Sie suchen Antworten auf drängende Fragen. Etwa: Wie verstehe ich die Geschwisterkinder oder den eigenen Partner in seiner Trauer? Wie kann ich lernen, mit dem schmerzlichen Verlust umzugehen, damit weiterzuleben und ihn als Teil meiner Lebensgeschichte anzunehmen? An wen kann ich mich wenden? Mit wem kann ich sprechen? "Die Gruppe soll ein geschützter Raum sein, um sich mit der eigenen und der Trauer anderer auseinander zu setzen", erklären Theresia Utters und Heide Becker. Alles, was dort gesprochen und besprochen werde, sei absolut vertraulich und dürfe nicht nach außen getragen werden. Die Teilnehmer können jederzeit fernbleiben, neue sind jederzeit willkommen, jeder gibt nur so viel preis, wie er möchte. Es spiele keine Rolle, wie lange der Tod zurückliege und um welche Todesursache es sich gehandelt habe. Die Teilnahme sei unabhängig von Alter, Familienstand und Konfession. Es gehe darum, dass die Betroffenen entdecken, dass sie mit ihren Gefühlen, Erfahrungen und Erinnerungen nicht alleine sind. Mögliche Inhalte der Gruppentreffen könnten der Umgang mit Angehörigen, die Vorstellung von Literatur und Filmen sowie Hinweise auf therapeutische Hilfen sein. Geplant ist ein Treffen pro Monat im Evangelischen Gemeindehaus in Daun.Das erste Treffen findet am Mittwoch, 7. Juni, um 19.30 Uhr statt. Wer sich für die Selbsthilfegruppe "Verwaiste Eltern" interessiert, kann Kontakt aufnehmen mit Theresia Utters, Daun-Boverath, Telefon 06592/958673. HINTERGRUND Bundesverband Verwaiste Eltern in Deutschland: In Deutschland sterben jährlich mehr als 20 000 Kinder und junge Erwachsene. Sie werden tot geboren, sterben an Krankheiten, bei Unfällen ... Zurück bleiben Eltern, Geschwister, Großeltern, Freunde, Menschen, für die nach dem Tod des Kindes nichts mehr ist, wie es einmal war. Seit Anfang der 1980er-Jahre sind nach dem Vorbild der 1969 in England gegründeten Initiative "The Compassionate Friends" (Mitfühlende Freunde) bundesweit über 500 Gruppen zur Beratung und Begleitung trauernder Eltern entstanden. In solchen Gruppen können im gemeinsamen Gedankenaustausch Entwicklungen angestoßen werden, die den Weg aus der Krise ebnen helfen, auch wenn dies oft lange Zeit braucht. Die Verantwortung für Vorhaben, Aktivitäten und Programme der Selbsthilfegruppen liegt ganz in der Hand der betroffenen Eltern. Es können auch Fachleute als Referenten eingeladen werden. Kontakt zum Bundesverband: E-Mail: kontakt@veid.de, Internet: www.veid.de. (bb)

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