"Wir lesen im Buch der Erde"

PRÜM. Ein spektakuläres Forschungsprojekt hat im Prümer Stadtteil Weinsfeld begonnen. Aus bis zu 150 Metern Tiefe werden Gesteinsproben entnommen, um Aufschlüsse über die Erdgeschichte zu gewinnen.

 Geballte Forscherriege (von links): Ulrich Mann, Michael Weidenfeller, Rainer Brocke, Volker Wilde, Rainer Schäfer und Simone Huwe mit den ersten Gesteins-Kernen am Bohrloch bei Weinsfeld.Foto: Marcus Hormes

Geballte Forscherriege (von links): Ulrich Mann, Michael Weidenfeller, Rainer Brocke, Volker Wilde, Rainer Schäfer und Simone Huwe mit den ersten Gesteins-Kernen am Bohrloch bei Weinsfeld.Foto: Marcus Hormes

Im Kinoläuft derzeit der Action-Film "The Core - Die Reise zum Kern".Darin steuert eine Shuttle-Besatzung zum Mittelpunkt der Erde, umdort durch eine "Reparatur" die Welt zu retten. Eine erfundeneStory - im Gegensatz zu dem Abenteuer, das sich aktuell in derWirklichkeit abspielt. Von einer Wiese bei Weinsfeld aus wird ein150 Meter tiefes Loch gebohrt. Aus den Gesteinsproben versprechensich die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die Entwicklungdes Landschaftsbildes im Raum Prüm vor 400 Millionen Jahren, imErdzeitalter Unterdevon. "Wir lesen im Buch der Erde", beschreibt Dr. Volker Wilde vom Forschungsinstitut Senckenberg (FIS) in Frankfurt am Main die Arbeit. "Wenn wir Entwicklungen über längere Zeit verstehen lernen, können wir besser erklären, was sich in jüngerer Zeit abgespielt hat oder sich in Zukunft abspielen wird." Die Wahl der Bohrstelle ist kein Zufall. Seit mehr als 100 Jahren ist das FIS an Grabungen und Untersuchungen im Prümer Land beteiligt.

Meeresspiegel stieg: Land unter in Prüm

Eine Sonderstellung nimmt der so genannte Richtschnitt in Schönecken-Wetteldorf ein. Die Beschreibung der dortigen Trennungslinie zwischen zwei erdgeschichtlichen Zeitabschnitten gilt als internationale Definition, nach der sich die Wissenschaft richtet. Aus der bisherigen Erfahrung und etlichen Faktoren heraus wählten die Forscher den aktuellen Standort bei Weinsfeld. Konkretes Ziel: den zeitlichen Wechsel zwischen der Flussauenlandschaft und der später durch den Anstieg des Meeresspiegels überfluteten Landschaft nachvollziehen. "Hier haben sich regelrechte Korallenriffe gebildet", erklärt Wilde. Bei der Bestimmungsarbeit helfen unter anderem mikroskopisch kleine Reste der Pflanzen.

Die Spezialfirma Erkelenzer Bohrgesellschaft mit Sitz in Wittlich setzt eine Maschine ein, die ein hohles Stahlrohr kontinuierlich in den Boden dreht. Die Bohrkrone ist mit Diamanten besetzt. So wird ein 1,50 Meter langer Gesteinskern mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern aus dem Loch gezogen, bevor das Rohr erneut angesetzt und der nächste Kern herausgebohrt wird. In zwei bis drei Wochen soll eine Tiefe von 150 Metern erreicht sein.

Projekte in Amerika, Afrika und Asien

Die Bohrungskosten von rund 20 000 Euro übernehmen das Forschungszentrum Jülich (FZJ) sowie das Institut für Geowissenschaftliche Gemeinschaftsaufgaben (GGA) in Hannover. Mit im Boot ist auch das Mainzer Landesamt für Geologie und Bergbau. Ein Weinsfelder Landwirt stellt das Grundstück zur Verfügung. Nach der Untersuchung des Lochs mit Sonden wird der Hohlraum wieder verfüllt. Der Kerne werden in Labors unter die Lupe genommen.

Das Forschungsprogramm trägt den Titel "Sedimentologie und Paläo-Ökologie des Emsiums der Prümer Mulde" (ESPEC). Im Klartext: Es geht um die Entstehung und Umbildung der Ablagerungen sowie um die Beziehung der Urlebewesen zur Umwelt. Emsium ist eine Stufe des Erdzeitalters Unterdevon. Die Prümer Ergebnisse ergänzen ähnliche Projekte in Amerika, Afrika und Asien. "So setzt sich nach und nach ein großes Gesamtbild zusammen", sagt FZJ-Mitarbeiter Dr. Ulrich Mann. Die Wissenschaftler bieten Informationsveranstaltungen zum Beispiel für Schulklassen an. Kontakt: Telefon 069/97075-160.

Der TV wird über die Fortschritte bei der Bohrung berichten.

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