Zeitsprung mit einer Rolle rückwärts

In den 50er und 60er Jahren haben sie als Mitglieder des Turnvereins Bitburg sportliche Höchstleistungen geboten. Ein halbes Jahrhundert danach fanden sich die noch immer sehr beweglichen Menschen erneut zusammen.

Bitburg. (uhe) Stolz zeigt Helmut Pleines auf ein Foto an der Bilderwand: "1962 Rheinland-Meister im Judo - das ist jetzt 45 Jahre her", erklärt Pleines und sorgt mit einem Grinsen für klare Verhältnisse: "Ich schmeiße Sie auch heut' noch locker aufs Kreuz!" Das klingt überzeugend, und auch wenn Pleines bereits 71 Jahre alt ist, lässt es der TV-Mitarbeiter vorsichtshalber nicht darauf ankommen. Stattdessen schweifen die Augen über die historischen Bilder auf der Stellwand. Fotos vom Deutschen Turnfest 1958 in München oder vom Landesturnfest in Kirn hängen dort. Bilder von Männern und Frauen an den Ringen, am Reck, auf dem Pferd und am Barren, die einst dort Sportliches geleistet haben, wo jetzt das Coyote Café ist. Einer der Turner ist der Bitburger Gerd Schuster, ehemaliger Gewichtheber und als solcher siebenfacher Rheinland-Pfalz-Meister, achtfacher Rheinland-Meister und bei den deutschen Meisterschaften ein halbes Dutzend mal auf den ersten sechs Plätzen gelandet, zwei Mal sogar auf Platz drei. Seine persönliche Bestleistung im olympischen Dreikampf liegt bei 730 Pfund. Das war 1964 beim Kampf des Turnvereins Bitburg 1911 gegen den A.C. Berlin. Dass er somit einer der erfolgreichsten Sportler in der Geschichte des Bitburger Turnvereins ist, davon möchte der starke Mann, dessen Schwäche anscheinend seine Bescheidenheit ist, nichts wissen. "Das war einfach eine tolle Kameradschaft", sagt der heute 76-Jährige. Zwangsläufig hat er sich in den Jahrzehnten nach seiner Sportlerkarriere als gelernter Uhrmacher mehr mit Zeit- als Gewichtseinheiten auseinandergesetzt, doch sieht es an diesem Samstagmorgen im Bitburger Hotel Plein für einige Stunden so aus, als sei die Zeit stehen geblieben. Für Schuster, aber auch für die anderen zum Teil immer noch sehr sportlichen Senioren, die nach und nach zu dem Treffen der ehemaligen Turner hinzu kommen. Eingeladen hat Helmut Pleines, einer der unzertrennlichen "fünf Helmuts", der ebenso erfreut wie überrascht ist, dass rund 30 seiner alten Kameraden der Einladung tatsächlich gefolgt sind. Die mit Abstand weiteste Anreise hatte dabei Monika Bedard, eine gebürtige Pleines und damit eine der sportlichen Schwestern von Hemut Pleines. Sie wohnt seit über 40 Jahren in den USA und hat ihren Deutschlandbesuch bewusst so gelegt, dass sie das historische Ereignis nicht verpasst. Verstärkung hat sie mitgebracht: ihren Enkel Lee, der ruhig in der Ecke sitzt und nur hin und wieder leicht zusammenzuckt, wenn eine der älteren Damen überschwänglich und mit tränenden Augen die Freunde von damals begrüßt. Da wird es manchmal laut, doch Angst zu haben braucht Lee deshalb nicht. Großonkel Helmut kann ja schließlich Judo.

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