Zivile Zukunft ohne Führer

GEMÜND. Zwei Jahre nach der Eröffnung des Nationalparks Eifel hat die belgische Armee das mittendrin gelegene Areal rund um die nationalsozialistische "Ordensburg" Vogelsang verlassen. Die zivile Nutzung der historischen und architektonischen Altlast (der TV berichtete) beginnt.

Der Nationalpark Eifel, jüngster von 14 Nationalparks in Deutschland, ist längst ein Erfolgsprojekt. Und die Aussichten für 2006 sind mindestens so erfreulich wie in den ersten 24 Monaten seines Bestehens. Am Neujahrstag zählten die Verantwortlichen gut 7000 Besucher allein auf dem frisch geöffneten Vogelsang-Gelände. Starke Zahlen, die für Park-Sprecher Michael Lammertz ins Bild der vergangenen zwei Jahre passen: "Die Besucher- und Übernachtungszahlen sind in der NRW-Eifel und im Raum Aachen doppelt so stark gestiegen wie im Landesdurchschnitt."1,2 Millionen Übernachtungs-Gäste

Und zwar um knapp 11,5 Prozent: 2004 zählte man 1,2 Millionen Übernachtungs-Gäste in der Region. "Das ist schon ein Wort", sagt Lammertz. Zumal man in der Eifel Chancen habe, den ersten deutschen Nationalpark im Bayerischen Wald noch zu überflügeln: "Der hat zu rund 1000 Arbeitsplätzen geführt. Und ich bin zuversichtlich, dass bei uns noch mehr 'rumkommt, denn wir haben im Radius von drei Fahrstunden mehr als 20 Millionen Menschen. Das hat der Bayerische Wald nicht zu bieten." Und dann ist da noch Vogelsang: Ehemalige "Ordensburg" der Nazis, ideologisches Trainingslager für den braunen Führungsnachwuchs, brachial-architektonische Altlast mitten im Nationalpark: Nach 55 Jahren sind dort die belgischen Soldaten abgezogen. Sie hinterlassen den Deutschen rund 3300 Hektar Fläche - ab sofort "Dreiborner Höhe" genannt und zum ersten Mal seit 60 Jahren begehbar. Plus 100 Hektar bebautes Gelände und das Problem, aus 70 000 Quadratmetern Brutto-Geschossfläche etwas Sinnvolles zu machen. Dieser denkmalgeschützte Bereich zählt nicht zum Park. Dennoch arbeiten auch dort alle Hand in Hand: "Wir wollen das engagiert angehen und Vogelsang nicht zum Wallfahrtsort für Ewiggestrige verkommen lassen", sagt Manfred Poth von der Euskirchener Kreisverwaltung, zugleich auch Aufsichtsratsvorsitzender der Standort-Entwicklungsgesellschaft Vogelsang. Motto: "Da soll Leben rein." Seit 1. Januar residiert dort bereits die Service-Agentur und Tourist-Info Vogelsang. Die Parkverwaltung mit rund 60 Mitarbeitern soll folgen. Außerdem sind drei Ausstellungen geplant und werden in den kommenden Monaten und Jahren bestückt: Eine NS-Dokumentation, ein "Nationalpark-Zentrum" und ein dritter Teil zur Regionalgeschichte der Eifel. "Außerdem ist ein Zentrum für Jugend und Zukunft vorgesehen, unter Trägerschaft des Deutschen Jugendherbergswerks", sagt Poth. Weitere Investoren dürfen ebenfalls einziehen. Wie das alles genau aussehen soll, steht noch nicht fest. "Wir können ja erst seit einigen Tagen über das Gelände verfügen", sagt Manfred Poth. Kürzlich präsentierte eine Münchener Agentur ein Dachmarken-Konzept für das Areal. Geplante Kosten: rund 28 Millionen Euro von Bund, Land und Region. Darauf basierend soll ein Architekten-Wettbewerb ausgerufen werden. Umbau- und Einrichtungszeit: rund drei Jahre. Und noch ein Angebot hat Vogelsang: Geschulte Referenten begleiten die Besucher durch die frühere "Ordensburg". Michael Lammertz: "Die heißen aber nicht ,Führer." Telefon-Nummer der Service-Agentur auf Vogelsang: 0700/93002006; www.serviceagentur-vogelsang.de

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