Zukunfts-Initiative: Die Checker vom Land

Bitburg · Eine Idee, die zündet: Die Zukunfts-Initiative des Eifelkreises hat sich zu einer Bürgerbewegung entwickelt. 170 Gemeinden machen mit.

 Damit es wieder nach oben geht: Der Zukunfts-Check Dorf im Eifelkreis schafft Perspektiven. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Damit es wieder nach oben geht: Der Zukunfts-Check Dorf im Eifelkreis schafft Perspektiven. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Foto: (e_bit )

Bitburg Mehr Haus fürs gleiche Geld, Natur satt und Zusammenhalt. Gründe, auf dem Land zu leben, gibt es viele. Und trotzdem gibt es diese Orte, in denen sich Leerstand an Leerstand reiht. Häuser langsam verfallen. Jahr für Jahr an Wert verlieren, bis sie irgendwann nichts mehr wert sind. Das muss nicht so sein.

Es gibt auch Dörfer, da steht ein liebevoll sanierter Hof neben dem nächsten. Malerische Orte, in denen die Menschen gerne bleiben und in die auch Menschen von auswärts gerne ziehen. Das ist auch ein Verdienst der Initiative Baukultur. Eine Initiative des Kreises, die regionaltypisches Bauen fördert und ein Umdenken bei Bauherren und Architekten bewirkt hat. Die Eifel hat ihre Vorzüge.

"Baukultur bedeutet, einen Landkreis zu entwickeln, den Gäste gerne besuchen, in dem man sich gerne aufhält und der stolz macht", sagt Landrat Joachim Streit, Initiator von Baukultur Eifel. Sein Anliegen: Das Leben auf dem Land, in den Dörfern zukunftsfähig zu machen. Klar braucht es dazu mehr als schöne Häuser.

Ob Breitband-Ausbau, den der Eifelkreis schon seit Jahren vorantreibt, oder die Neuorganisation des Öffentlichen Nahverkehrs - der Kreis ist an vielem dran. Aber das alles würde wenig nützen, wenn die Orte nicht auch lebens- und liebenswert wären. Was das angeht, haben die 97 000 Menschen in den 235 Gemeinden des Eifelkreises viel selbst in der Hand.

Genau da setzt der Dorf-Check an. "Das Thema der Zukunft ist der Sozialraum", sagt Streit. Die Erfahrung nach fünf Jahren: Diese Initiative mobilisiert die Menschen, sich für ihre Gemeinde einzusetzen. Deshalb spricht Streit auch von einer "riesigen Bürgerbewegung". Im Kern geht es darum, dass die Menschen, die gerne in der Eifel leben, erkennen, was dieses Leben ausmacht und wo sie selbst einen Beitrag leisten können, um es zu fördern und zu erhalten.

Der Weg dorthin: Der Dorf-Check bringt alle die an einen Tisch: Die, die sich engagieren wollen, die, die einfach nur eine Idee habe, und die, die mal sagen wollen, was fehlt oder gerne etwas verändern würden. Dabei gibt es fachliche Unterstützung von der Kreisverwaltung: Projektmanager An dreas Heiseler und Dorferneuerungsbeaufstragter Edgar Kiewel begleiten die Prozesse. 170 Gemeinden machen mit.

Der Ablauf: "Am Anfang gibt es eine Auftaktveranstaltung. Wir stellen vor, worum es geht, erklären den Ablauf, und die Bürger können bewerten, was sie gut und was sie nicht so gut finden an ihrem Ort", sagt Projektmanager Heiseler. Basierend auf dieser Stärken- und Schwächen-Analyse werden Arbeitsgruppen gebildet, die sich die wichtigsten Themen vorknöpfen. "In manchen Orten gibt es vier, fünf Arbeitsgruppen, in kleineren nur ein oder zwei", sagt Heiseler. Es folgt eine Bestandsaufnahme: Wie viele Häuser stehen leer, wie gut oder schlecht sind sie erhalten? Was gibt es an Infrastruktur vor Ort? Ob Apotheke, Bäcker, Friseur oder Schule: Alles wird abgefragt und notiert. Gleiches gilt für Handel, Handwerk und Gewerbe. Das alles machen die Bürger selbst - mit Unterstützung der Verwaltung. Es gibt eine Checkliste und Bögen, die Stück für Stück abgearbeitet werden.

"Dabei wird hier und dort klar, dass man im Ortskern schon viele Leerstände hat und kein Neubaugebiet mehr braucht", sagt Kiewel. Dass es kaum Mietwohnungen für junge Leute gibt, ist ebenfalls eine Erkenntnis der Bestandsanalysen. Es folgt eine Bedarfsanalyse, und schließlich werden in den Arbeitskreisen Ideen entwickelt, was man ändern oder ausbauen will. Am Ende steht ein Maßnahmen-Katalog. Das Ganze dauert etwa ein Jahr.

Ein neuer Jugendraum? Oder ein Dorfplatz? Da, wo es Geld kostet, haben die Dorf-Checker die Möglichkeit, an Zuschüsse ranzukommen. Genauso wichtig sind aber die Ideen, was man als Dorfgemeinschaft, als Gruppe, als Dorfverein oder Einzelperson machen kann. "Oft braucht es einfach nur einen Rahmen und eine Begleitung, um dieses Potenzial an Engagement zu entfalten", sagt Kiewel.

Beispiele: Erdorf schafft sich mit einem Mehrgenerationenplatz einen neuen Treffpunkt, in Mötsch gibt es jeden Monat einen Markt-Treff mit Produkten von Direktvermarktern, in Üttfeld sind es Spielabende für Jugendliche, in Neuheilenbach kommt wieder ein Bäckerauto in den Ort, in Rittersdorf gibt es einen Besuchsdienst für ältere Menschen, in Bleialf einen Männerstammtisch und in Büdesheim den Bürgerbus. Karlshausen macht einen Tag der Vereine, und Ernzen verschönert den Felsenweiher. Die Liste ließe sich fortsetzen. "Es ist ganz verschieden, was angegangen wird", sagt Heiseler. Wichtig ist: Es passiert was. Menschen kommen zusammen und packen mit an.

Und: In jedem Ort, der mit dem Zukunfts-Check auch ein Dorfentwicklungskonzept erarbeitet, haben private Bauherren die Chance, Fördergeld zu bekommen, wenn sie alte Häuser sanieren. "Es geht um die bauliche Entwicklung des Orts, die soziale Entwicklung und die Infrastruktur", sagt Streit. Und auch darum, dass jeder merkt, dass er selbst Charakter und Zukunft seines Orts mitgestalten kann.KommentarMeinung

Ein Thema, das uns alle betrifft
Der Dorf-Check hat es in sich. Vor allem deshalb, weil er Menschen dazu bringt, sich über ihren Ort Gedanken zu machen. Das Dorfleben, wie es einmal war, wird es nicht mehr geben. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe schrumpft, die von Großfamilien auch. Ob Kneipe, Kindergarten oder Lebensmittelläden: Es wird nicht mehr, eher weniger auf dem Land. Natürlich lässt sich diese Entwicklung mit dem Dorf-Check nicht einfach umkehren. Aber: Die "Checker" erkennen, dass sie selbst Einfluss auf die Entwicklung ihres Orts haben, ob es ein Miteinander gibt oder jeder für sich lebt. Wenn es gelingt, dass Menschen sich für ihr Dorf engagieren, ist viel erreicht. Dieses Potenzial entfaltet der Dorf-Check. Da hatte der Landrat eine wirklich gute Idee. Eine, die langfristig auch hilft, die Eifel auch für Städter interessant zu machen. Das Land braucht Menschen, die gerne hier leben! d.schommer@volksfreund.deExtra: DIE ANFÄNGE DER INITIATIVE

Zukunfts-Initiative: Die Checker vom Land
Foto: Uwe Hentschel (uhe) ("TV-Upload Hentschel"


Dorf-Check: Entstanden ist die Initiative Dorf-Check des Eifelkreises vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und den damit verbundenen Herausforderungen für den ländlichen Raum. Von 2012 bis 2014 ging der Dorf-Check in einer Modellphase mit Unterstützung des Landes an den Start. Zu Beginn war die Teilnehmerzahl auf 100 Gemeinden beschränkt. Das Ganze lief aber so erfolgreich, dass auch weitere Gemeinden Interesse zeigten, beim Dorf-Check mitzumachen, und das Land die Initiative weiterhin unterstützt. Inzwischen machen 170 Orte mit.

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