Zurück in die Römerzeit: Junger Archäologe berichtet über Bitburg

Bitburg · "Eine Stadt, die Geschichte atmet": Das sagt der junge Archäologe Ferdinand Heimerl über Bitburg.

Bitburg. Mit weißen Handschuhen nimmt er eine der vielen Kisten aus dem Regal und zieht vorsichtig etwas aus dem schützenden Styropor: eine kleine Statue, etwa so groß wie ein Handteller. "Das ist der Kriegsgott Mars", sagt Ferdinand Heimerl und erklärt, dass die Bronze, die bei Ausgrabungen in Bitburg gefunden wurde, aus dem 2./3. Jahrhundert stammt.

Ein kleines Dorf an der Stelle des heutigen Bitburg, Vicus Beda, dient den nach Norden marschierenden Legionssoldaten als erste Bleibe zum Übernachten nach einem Tagesmarsch von etwa 30 Kilometern. Es war die erste von fünf Stationen an der römischen Fernstraße, die von Lyon über Metz und Trier bis nach Köln führte. Es war die Zeit, bevor das Vicus im 4. Jahrhundert mit einer riesigen Mauer und 13 Rundtürmen zum befestigten Kastell wurde.
Viel wissen auch die Forscher nicht über das römische Beda. Aber es muss wohl bereits ein reger Marktflecken gewesen sein. "Tavernen, Herbergen, Schuppen, Händler, Hufschmiede, Sattler, Wagenbauer und alles sonst, was Reisende brauchten, hat es im Vicus gegeben", sagt Heimerl. Für seine Doktorarbeit wertet der Archäologe seit Ende 2014 alles aus, was es über das römische Bitburg gibt: alte Schriftquellen mit Bleistiftzeichnungen von Wissenschaftlern, die 1889 in Bitburg gegraben haben. Zeichnungen, die ähnlich wie die Figuren nur mit Handschuhen angefasst werden dürfen.

"Diese kleinen Bausteine helfen uns heute, ein Bild von dem zu entwickeln, wie Bitburg wohl damals war", sagt der Forscher, dem das Rheinische Landesmuseum Trier Fundstücke und Quellen sowie einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt (siehe Extra). Im Zweiten Weltkrieg wurde vieles von dem, was zuvor noch erhalten war, komplett zerstört. Dennoch sagt der gebürtige Bayer Heimerl, dass es das "Zuckerl" an Bitburg sei, dass hier vergleichsweise viel noch steht: "Es ist sicher das am besten erhaltene Straßenkastell nördlich der Alpen." Die Stadt atme Geschichte. Sicher etwas, das den meisten Passanten Tag für Tag gar nicht so auffällt.

Neben Trier wirkt das römische Bitburg sicher bescheiden. "Trier war im 4. Jahrhundert der Hotspot, die Stadt war Kaiserresidenz, hier traf sich die High Society der Römer", sagt Heimerl. Die Spätantike war schon im Studium sein Schwerpunkt: "Da gibt es noch so unglaublich viel zu forschen, da sind so viele Geschichten noch nicht geschrieben." Da es in Bayern schwer sei, an Themen aus dieser Zeit zu kommen, da diese entweder schon besetzt oder die Quellen- und Befundlage sehr dünn sei, verschlug es ihn nach Bitburg. Sein Professor wusste über den Direktor des Rheinischen Landesmuseums, dass es hier einen "Reichtum an Forschungsthemen" gibt.

Und so setzt sich Heimerl Fundstück für Fundstück ein Bild zusammen. "In Teilen gleicht die Arbeit einem Detektiv, der Indizien auswertet", sagt er. Wie viele Einwohner Vicus Beda bis dahin zählte, ist nicht bekannt. "Mit einer Länge von 800 Metern war der Ort recht stattlich, aber wir wissen wenig über die Breite. Sogar ein Theater muss es gegeben haben, wie die Inschrift auf einem Stein belegt, der davon zeugt, dass ein gewisser Lucius Ammatius Gamburius eine solche Einrichtung im 2. Jahrhundert gestiftet hat. Der Standort ist nach wie vor unbekannt. Von der Typografie kämen für Heimerl das Müller-Flegel-Gelände, der Bereich beim Willibrord Gymnasium und die Ecke bei Pelzers Gäßchen in Frage.

Mehr weiß man über das Kastell, das im 4. Jahrhundert entstanden ist: Die Mauer war fast vier Meter breit, die Rundtürme hatten einen Durchmesser von neun Metern und durch Beispiele vergleichbarer Kastelle in Frankreich vermuten die Wissenschaftler, dass die Türme wohl auch in Bitburg 17 Meter hoch gewesen sein könnten.

Der junge Wissenschaftler, der inzwischen ein Fan der Eifel ist, würde sich freuen, wenn viel mehr Bitburger mit offenen Augen durch ihre Stadt gehen: "Was Sie hier haben, ist wirklich ein richtiges Kleinod."

Die Fundstücke auf dem Foto: Die kleinen Götterstatuetten aus Bronze (ganz links) sind aus dem 2./3. Jahrhundert und waren mal Teil von Hausaltären. Die Scherben stammen von einem Trinkbecher aus dem 3. Jahrhundert, von dem im Hintergrund ein moderner Nachbau zeigt, wie er einmal ausgesehen hat.

Die größere rötliche Scherbe ist das Fragment einer Reibeschüssel aus dem 3./4. Jahrhundert. Die Metallteile davor: eine Gürtelschnalle und Teile von Anstecknadeln, so genannten Zwiebelknopffibeln, die Soldaten getragen haben. Das grünlich schimmernde Glasgefäß war eine Grabbeigabe im späten 4./5. Jahrhundert. Und das kleine runde Element, das ein bisschen aussieht wie ein festgetretener Kaugummi? Das ist die Glaseinlage einer Gewandspange, wie sie von Frauen im 8. Jahrhundert getragen wurde. In ganz Europa gibt es nur sieben Fundorte solcher Glaseinlagen - einer davon: Bitburg.

Extra: Ein junger Forscher aus Augsburg

 Bitburg im 4. Jahrhundert nach Christurs: Das Modell zeigt, wie das römische Castell mit seinen 13 Rundtürmen mal ausgesehen hat. Foto und Bearbeitung: Ferdinand Heimerl

Bitburg im 4. Jahrhundert nach Christurs: Das Modell zeigt, wie das römische Castell mit seinen 13 Rundtürmen mal ausgesehen hat. Foto und Bearbeitung: Ferdinand Heimerl

Foto: (e_bit )
 Ton, Steine Scherben: Ferdinand Heimerl erklärt Keramikfundstücke. TV-Fotos (2): Dagmar Schommer

Ton, Steine Scherben: Ferdinand Heimerl erklärt Keramikfundstücke. TV-Fotos (2): Dagmar Schommer

Foto: (e_bit )

Ferdinand Heimerl stammt aus Augsburg, ist 27 Jahre alt und hat in München Archäologie studiert. Seit Ende 2014 arbeitet er an seiner Dissertation im Fach Provinzialrömische Archäologie zum Thema "Das römische Beda/Bitburg". Sein Doktorvater ist Professor Dr. Michael Mackensen. Finanziert bekommt er seine Dissertation von der Gerda Henkel Stiftung Düsseldorf. Seit Beginn der Forschung für seine Doktorarbeit hat Heimerl ein Büro im Rheinischen Landesmuseum Trier, für dessen Unterstützung er dankbar ist. Inzwischen hat er etwa die Hälfte seiner Forschungsarbeit hinter sich. Grund genug, für den TV sich mal nach einem Zwischenstand zu erkundigen.

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