Zwei Ellen machen den Unterschied

SCHÖNECKEN. Der Läufer hatte dieses Mal das bessere Ende für sich. Andreas Ewen gewann die Schönecker Eierlage in 33,57 Minuten. Raffer Jochen Floss lieferte einen ebenbürtigen Zweikampf. Er hätte lediglich zwei Eier schneller raffen müssen.

Die Mär, wonach Petrus ein Schönecker gewesen sei und es deshalb bei der Eierlage nie regnet, erfüllte sich gestern nur zum Teil. Kurz vor dem Traditions-Wettkampf öffnete er noch einmal die Schleusen, um den Gästen im Burgflecken eine kleine Abkühlung zu verpassen. Am Ende zeigte er sich dennoch gnädig: Während des Wettkampfs blieb es trocken, und je weiter sich Raffer und Läufer dem Ziel näherten, desto mehr stiegen die Temperaturen entlang der Eiergasse. Die Schönecker Eierlage ist ohne Zweifel eine der schönsten Brauchtumsveranstaltungen in der Region Trier. Auch gestern kamen wieder mehr als tausend Besucher in den Burgflecken, wo die Junggesellensodalität seit 1843 existiert und einen Wettkampf ausrichtet, der nicht nur von Tradition und Spannung lebt, sondern auch von Unterhaltung und Vereinstreue. Die Aufgabe, 104 rohe Eier im Abstand von einer Elle (62,5 Zentimeter) einzeln aufzuraffen, hatte dieses Mal Jochen Floss. Der 25-jährige Zimmermannsgeselle, der zur Zeit in Hildesheim im achten Semester Holzbau studiert, legte sich von Beginn an mächtig ins Zeug und gestaltete den Wettkampf taktisch geschickt. Zunächst räumte er 20 Eier im Zielbereich ab, bevor er praktisch im Dauerlauf immer wieder das hintere Ende ansteuerte und die Strecke so Elle um Elle kürzte. Gleichzeitig machte sich Läufer Andreas Ewen auf den Weg ins benachbarte Seiwerath. Der 24-jährige Medizinstudent kämpfte dabei gegen etliche Windböen, bevor er sich beim Ortsbürgermeister den Stempel abholte, um auf dem Absatz kehrt zu machen und die zweite Hälfte seiner 7,6 Kilometer langen Strecke anzugehen. Dass die Spannung bis zum Ende stieg, verdankten die Zuschauer, die Jochen Floss in der Raffergasse immer wieder zum Teil frenetisch anfeuerten, den Streckendurchsagen. Als Andreas Ewen den Kemel passierte, tat dies unten im Dorf sogar ein mächtiger Böllerschuss kund. Und während Jochen Floss in der geschichtsträchtigen von-Hersel-Straße ein Ei nach dem anderen wegraffte und den Sieg schon vor Augen sah, bog Andreas Ewen in den Flecken ein, um seinem Kontrahenten mit letzter Kraft den Sieg doch noch zu nehmen.Bei der Eierlage gibt es keine Verlierer

Völlig erschöpft lagen sich die Wettkämpfer zum Schluss in den Armen, denn: erstens gibt es bei der Schönecker Eierlage keine Verlierer, und zweitens kennen sich beide seit früher Jugend; sie sind zusammen im Schönecker Altburgtal als Nachbarskinder groß geworden. Besonders stolz war am Ende ein Mann, der gestern Jubiläum feierte. Willi Ewen machte vor 50 Jahren das Rennen als Läufer - und nun stellte sich sein Sohn Andreas mit ihm auf eine Stufe. "In den letzten 50 Jahren hat sich viel geändert, aber die Eier sind die gleichen geblieben", sagte Willi Ewen nach dem Wettkampf. Auch sein damaliger Kontrahent erinnerte sich. Peter Tipper hielt als Raffer den Wettkampf mit einer Kieferentzündung durch, musste zwischendurch sogar behandelt werden: "Das war ziemlich unangenehm." Ihr 25-jähriges Jubiläum feierten indes Johannes Arenth, der seinerzeit als Läufer siegte, und Wolfgang Ullrich, der als Raffer knapp unterlagen war. Neben Teilnehmer-Urkunden erhielten Andreas Ewen und Jochen Floss eine goldene Uhr beziehungsweise ein goldenes Feuerzeug, bevor sie im Korso mit dem Musikverein vorneweg und unter dem Jubel der Zuschauer zum Feiern ins Festzelt marschierten.

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