Zweifelhaftes Recht

BITBURG. Seinen Alltag organisieren, einkaufen gehen und die Wohnung sauber halten - das alles schafft Heinrich Lenzen nicht mehr allein. Nachdem sich einige Jahre lang ein ehrenamtlicher Betreuer um ihn kümmerte, wurde nun ein Berufsbetreuer eingesetzt. Für Lenzen könnte das teuer werden.

Wilfried Sadlowski ist sauer. Knapp drei Jahre betreute er ehrenamtlich einen kranken Mann. Aus gesundheitlichen Gründen und weil ihm die Arbeit im eigenen, 1998 gegründeten Verein "Bürgernächstenhilfe" über den Kopf wuchs, gab er die Betreuung ab. "Ich war eingesetzt worden, um die finanziellen Angelegenheiten von Heinrich Lenzen (Name geändert) zu regeln. Mittlerweile braucht er aber eine intensivere Betreuung. Er schafft es nicht, seine Wohnung in Ordnung zu halten, sich zu pflegen und selbst zu versorgen."Das Amtsgericht Bitburg setzte einen neuen Betreuer ein. "Erst habe ich mich gefreut. Im Nachhinein stellte sich aber heraus, dass es sich um einen Berufsbetreuer handelte, der erstens keine Zeit für eine intensive Betreuung hat und zweitens 31 Euro pro Stunde verlangt." Lenzen, der dem Betreuerwechsel zunächst zustimmte, ist nicht zufrieden mit der neuen Regelung: "Ich wurde überrumpelt. Den neuen Betreuer habe ich ja auch nur kurz getroffen, bevor ich zugestimmt habe."Sadlowski legte schriftlich Beschwerde beim Amtsgericht Bitburg ein und bot an, solange selbst wieder die Betreuung zu übernehmen, bis ein anderer ehrenamtlicher Betreuer gefunden sei. Das Amtsgericht lehnte seine Beschwerde als unzulässig ab. Ihm komme "keine Beschwerdebefugnis" zu, heißt es in dem Beschluss des Gerichts, da er nicht gegen seinen Willen entlassen worden und nicht mehr für Lenzen zuständig sei. Gegenüber dem TV gibt das Gericht keine Auskunft zu dem Fall."Rechtlich ist alles richtig gelaufen", sagt Wilfried Sadlowski. "Trotzdem halte ich das für unfair. Heinrich Lenzen kann sich eine solche Betreuung nicht leisten." Als 37-Jähriger musste Lenzen 1979 wegen einer Berufskrankheit in Frührente gehen. Seitdem lebt der Bitburger von rund 860 Euro aus einer Erwerbsunfähigkeitsrente und einer kleinen Betriebsrente.Das ganze Vermögen für den Betreuer

Heinrich Lenzen beantragte 1999 selbst eine Betreuung zur "Vermögenssorge". Sadlowski, der Lenzen schon vorher kannte, übernahm diese Aufgabe. "Damals war er pleite. Er hatte kein Maß bei seinem Geld, fiel auf alle möglichen Vertreter herein." Nach Gesprächen mit Schuldnern und durch einen strikten Sparplan brachte Sadlowski die Konten des Mannes wieder ins Plus. Jede Woche holte sich dieser eine bestimmte Summe für seinen Lebensunterhalt ab. "In vielen Gesprächen habe ich auch versucht, ihn moralisch aufzurichten", sagt Sadlowski. Er sorgte dafür, dass Lenzen jeden Tag ein warmes Essen bekommt und sparte Geld für ein Moped zusammen. Im vergangenen Jahr erhielt Lenzen überraschend 4000 Euro aus dem Verkauf seines Elternhauses - ein kleines Vermögen für ihn."Das Geld, das wir mit Mühe und Not zusammengespart haben, ist sofort weg, wenn er den Betreuer bezahlen muss. Und dabei wird er jetzt noch weniger betreut als vorher", schimpft Sadlowski. Wenn die Kosten für die Betreuung 2300 Euro überschreiten, muss Lenzen sie selbst bezahlen."Betreuen heißt doch helfen, auf jemanden Acht geben", meint Sadlowski, "der persönliche Kontakt und die Zuwendung sind doch am wichtigsten. Es kann doch nicht reichen, dass jemand nur ein oder zwei Stunden da ist und dann nur das Finanzielle regelt."Tatsächlich fehlt Lenzen derzeit der persönliche Kontakt: "Der Herr Sadlowski hat auf mich aufgepasst. Wenn ich seelische Probleme hatte, hatte er Zeit für mich." Den neuen Betreuer, der noch zehn andere Menschen betreut, sehe er selten. "Ich fühle mich oft vereinsamt und auf's Abstellgleis geschoben. Es wäre schön, wenn ich jemanden hätte, der sich mehr um mich kümmert."

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