Zweimal Currywurst mit Pommes! - Geschichten aus dem Imbiss mit Kultcharakter an der L141

Sehlem · Lothar Lorig ist Besitzer der Wurstbude in Sehlem. Tag für Tag bedient er dort seine Gäste. Die kommen teilweise von weit her.

 Lothar Lorig und Stefanie Bohr geben das Essen aus.

Lothar Lorig und Stefanie Bohr geben das Essen aus.

Foto: (m_wil )
 Die Wurstbude in Sehlem hat auch während der Baustelle geöffnet.

Die Wurstbude in Sehlem hat auch während der Baustelle geöffnet.

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 Derzeit ist die Straße wegen Bauarbeiten gesperrt.

Derzeit ist die Straße wegen Bauarbeiten gesperrt.

Foto: (ClickMe)
 Den Stammgästen schmeckt's: Johanna und Waldemar Gallmeister (rechts) kommen seit Jahren zu Lorig.

Den Stammgästen schmeckt's: Johanna und Waldemar Gallmeister (rechts) kommen seit Jahren zu Lorig.

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Zweimal Currywurst mit Pommes! - Geschichten aus dem Imbiss mit Kultcharakter an der L141
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Die Holztische in der Sehlemer Wurstbude sind fast alle besetzt. Es ist Mittag. Es riecht lecker nach Pommes, Würstchen und Kaffee. Das roch und sah vor etwa vier Stunden noch anders aus, als der Besitzer der Wurstbude, Lothar Lorig, die Bude aufsperrte.
Lorig arbeitet seit etwa 25 Jahren hier. 2007 hat er den Imbiss mit Kultcharakter von seinem Vater übernommen. Der hat die Bude Anfang der 1990er aufgebaut, nachdem die vorherigen Besitzer in Rente gegangen sind. Würstchen und Pommes gibt es hier schon seit 1959.

Die Bude liegt an der Landesstraße 141. Normalerweise handelt es sich dabei um eine viel befahrene Straße. Doch seit geraumer Zeit herrscht dort Ruhe, denn es gibt dort eine Baustelle. Baustellenschilder versperren einen Teil der Straße. Ein großes Schild weist daraufhin, dass der Weg bis zur Wurstbude frei ist.
Seit ich weiß, dass ich in der Wurstbude aushelfen soll, habe ich mir viele Gedanken um das Aussehen des Imbisses gemacht. Doch egal, an was ich gedacht habe: Als ich ihn zum ersten Mal sehe, bin ich überrascht. Es ist keine Wurstbude mit Rädern und auf zwei Achsen, die jederzeit verschoben werden kann.

Bei der Sehlemer Wurstbude handelt es sich um eine feststehende Gaststätte mit Biergarten, Raucher- und Nichtraucherbereich sowie einer Toilette. Etwa 30 Leute haben im Innenraum Platz. Mit ihrer Holzvertäfelung erinnert die Wurstbude eher an eine Almhütte im Allgäu als an eine Frittenbude in der Eifel.
Während ich aus dem Auto aussteige, sehe ich, wie Lothar Lorig bereits um seine Hütte herumrennt. Ich versuche ihm zu folgen, habe aber schnell das Gefühl, im Weg zu stehen, und warte im Gastraum.
Es ist 9 Uhr, Lorig steckt mitten in den Vorbereitungen. In zwei Stunden wird geöffnet. Er lüftet den Anbau der Hütte, schürt die beiden Öfen mit Holz, kehrt den Gastraum und lässt die beiden Ziegen aus dem Gehege vor seiner Gaststätte heraus.

Dann verschwindet er kurz und kommt mit Futter für die Tiere zurück. Die Vierbeiner haben keine Namen: "Immer wenn ich ihnen Namen gegeben habe, sind sie kurz darauf gestorben. Jetzt lasse ich es", sagt Lorig. Nachdem er die Ziegen gefüttert hat, bekomme ich meine erste Aufgabe. Ich soll die Tische und die Theke abwischen, schauen, ob Tischtücher schmutzig sind, und diese dann austauschen. Während ich das tue, wuselt Lorig in einem anderen Raum umher. Mehr Spaß, als selbst zu arbeiten, macht es mir, Lorig dabei zuzuschauen.
Bei ihm sitzt jeder Handgriff, auch deswegen, weil alles seinen Platz hat, egal ob die Pommes, die Würstchen, das Fett für die Fritteuse, die Kaffeebecher oder die Teller. Und was ebenso erstaunt: Alles scheint von dort, wo Lorig gerade steht, nur eine Armlänge entfernt zu sein.

Doch die Ordnung ist bedroht, nicht wegen mir, sondern wegen der Baustelle vor der Tür. Seit Mitte vergangenen Jahres wird der Durchgangs- und Schwerlastverkehr wegen Bauarbeiten umgeleitet. Eineinhalb Jahre wird nach Auskunft des Landesbetriebs Mobilität (LBM) Trier die L 141 gesperrt bleiben. "Seither kommen viel weniger Kunden.” Vor allem die LKW-Fahrer würden wegbleiben, weil es keinen Durchgangsverkehr zwischen Wittlich und Salmtal mehr gibt. Im Sommer soll die Straße etwa sechs bis zwölf Wochen ganz gesperrt werden. Dann hätte Lorig keine Einnahmen.

Darauf bereitet er sich jetzt schon vor. Aus diesem Grund beispielsweise hatte er den Winter über geöffnet. Im Sommer müsse er dann wohl oder übel die Bude während der Sperrung schließen. Für diese Zeit hat Lorig schon einen Plan: "Ich streiche dann.” Außerdem wolle er noch ein bis zwei Wochen in Urlaub fahren. "Da geht die Zeit auch rum.”
Neben Gulasch und Nudeln bietet Lorig seinen Gästen an diesem Tag auch Heringe an. Diese auf den Tellern zu verteilen, überlässt er mir. Den Fisch hat er bereits ein paar Tage zuvor eingelegt und in einer großen Box in den Kühlschrank im Lager geschoben.

Ich drapiere etwa zwölf Teller auf dem Gefrierschrank, fische den Hering aus der Sahnesoße und lege immer drei Hälften zusammen mit Soße, Apfelschnittchen und Zwiebeln auf einen Teller. Zeitgleich kocht Lorig als Beilage in der Küche Kartoffeln und brät Speck auf einem Gasherd. Bei ihm geht alles so routiniert zu, während er mir direkt anmerkt, dass ich, abgesehen vom Dienst auf einer Dorfkirmes, noch nie in einer Wurstbude gearbeitet habe. Lorig kann den Topf mit den Nudeln umrühren, ohne dass sie über den Rand rausfallen, bei mir passiert das gleich. Gegen Mittag kommt Stefanie Bohr.
Sie hilft Lorig während der Mittagszeit in der Bude. Bereits seit zehn Jahren sind Lorig und Bohr ein Team. Während Bohr den Laden übernimmt, fährt Lothar Lorig eine Portion Heringe nach Sehlem. Dort lebt eine ältere Frau, die er täglich beliefert. Gegen Mittag nimmt der Betrieb zu.
Handwerker, Vertreter und Rentner kommen, um zu essen. Einige bleiben da, andere haben eine Schüssel dabei und nehmen das Essen mit.

Alles geht jetzt über die Ladentheke: von Currywurst mit Pommes über Curryfrikadellen und Chickenburger. Dazu gibt es Cola, Wasser oder Kaffee. Auch die Heringe mit Kartoffeln werden bestellt. Ich bin stolz, dass ich meine erste Portion verkaufen darf. Ich schnappe mir einen der vorbereiteten Teller und schöpfe Kartoffeln und Speck darauf. Lorig steht nebendran und dribbelt, ebenso wie die Kundin vor der Theke, es geht ihnen allen nicht schnell genug. Ich merke, dass Essen zuzubereiten in einer Imbissbude etwas anderes ist, als sich abends am Esstisch den Teller vollzuladen. Es muss schnell gehen, die Leute haben Hunger. "Wenn hier der Betrieb richtig losgeht, muss ich dich aber leider zur Seite stellen.” So bewertet der 50-jährige Lorig meine Arbeit also.
Dann kommt ein älteres Ehepaar durch die Tür. Es sind Johanna (85) und Waldemar Gallmeister (82). Das Ehepaar aus Gusterath kommt seit etwa vier Jahren fast täglich zu Lorig.

Waldemar Gallmeister erzählt, wie er immer mit seinen Kollegen hier Mittagspause gemacht hat, als er noch in der Gegend arbeitete. Als er schon in Rente und mit seiner Frau Johanna in der Umgebung unterwegs gewesen sei, hätte diese dringend etwas essen müssen. Denn Johanna Gallmeister hat Diabetes.
Waldemar Gallmeister erinnerte sich an die Wurstbude, fuhr mit seiner Frau dorthin und kam seither immer wieder. Besonders gerne essen sie die Suppen, aber auch sonst schmeckt es ihnen: "Wir sind nicht klott. Uns schmeckt hier alles”, sagt Johanna Gallmeister.

Am Nachmittag kommt dann Resi Stuttko und löst Stefanie Bohr ab. Sie hält jetzt noch die Stellung bis Feierabend, spült Geschirr und räumt in der Küche auf. Lorig unterhält sich vor der Theke noch mit einem Gast, der auf sein Essen wartet. Niemand sitzt jetzt mehr an den Tischen. Jetzt hat auch Lorig Zeit, um sich zu unterhalten. Am Morgen und während der Mittagszeit ist das kaum möglich. "Danach ist dann Schluss”, sagt Lorig, sichtlich froh, dass er jetzt gleich Feierabend hat.
Denn morgen muss er wieder in seiner Wurstbude, in der es lecker nach Würstchen, Pommes und Kaffee riecht, arbeiten.

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