Wo sich die Nichtwähler treffen... - Stammtischplausch in einer Kneipe in Bitburg

Bitburg · Nicht alle haben am Sonntag gewählt. Die einen wollten nicht, die anderen durften nicht. Etwas zu sagen, haben sie trotzdem. Warum Flüchtlinge Merkel als „Mutter“ bezeichnen und Nichtwähler der Kanzlerin an allem die Schuld geben. Zu Besuch in einer Kneipe in Bitburg.

Drei Männer sitzen an einem Tisch in der Ecke. Sie spielen Skat. Ein anderer wirft Münzen in einen Spielautomaten. Klack, Ratter, Bling. Sein Blick klebt am Display. Nur zwei Hocker bleiben frei am Tresen. Um kurz nach 12 ist die Bitburger Kneipe "No Name" schon fast voll.

"Bye Bye, American Dream", schallt es aus dem Radio. "Bye Bye, American Dream", stimmen die Männer am Tresen mit ein. Auch der deutsche Traum ist offenbar für sie ausgeträumt. "Die Politik ist für'n Arsch geworden", sagt einer. "Es wird viel geredet und nichts gemacht", meint ein anderer.

Es sitzen fast nur Männer hier. Die meisten sind zwischen 40 und 60. Jeden Sonntag trinken sie ihre Stubbis, ihre Jägermeister - komme, was wolle. Warum sollten sie da am Wahlsonntag eine Ausnahme machen? "Scheißegal, wen man wählt, es sind immer die Falschen", donnert einer. "Wir kleinen Arbeiter sind sowieso immer die Verlierer", schmettert ein anderer.

Die Theke des "No Name" ist der Stammtisch der Bitburger Nichtwähler. Über Politik reden wollen die Gäste trotzdem. Und fast jeder von ihnen hat etwas zu sagen: "Die Merkel müsste hier mal reinkommen und sich das anhören".

Zu hören bekäme die Bundeskanzlerin eine Diskussion, bei der sich doch alle einig sind: "Sie muss weg!" Kaum ein Satz fällt an diesem Nachmittag so häufig. Die CDU-Politikerin sei schuld an der Flüchtlingskrise, der unsicheren Rente, überhaupt an allem.

Der Bärtige mit den Tattoos hält sich raus. Der sitzt nur da und liest die Zeitung, das Gesicht zwischen den Seiten verborgen. Manchmal schaut er auf und schüttelt den Kopf. Zum Beispiel als einer den Arm zum Hitlergruß hebt: "Der hier, der hat einiges verkehrt gemacht. Aber es war nicht alles schlecht", sagt er: "Stimmt doch, oder?" Zustimmendes Murmeln und Nicken. "Machst du mir noch einen?" Die Wirtin macht noch einen und rollt mit den Augen. Sie stammt aus Usbekistan.

"Schluss, Aus! Die Grenze muss zu sein", fordert einer. "Die Typen mit den Bärten, die müssen alle zurück", verlangt ein anderer.

Khaled ist einer von diesen "Typen mit den Bärten". Wir treffen den 19-jährigen Syrer um kurz nach 14 Uhr am Busbahnhof. Er wartet dort auf Freunde. Vor zwei Jahren ist er als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Jetzt wohnt er in Bitburg.

Er darf nicht wählen - so will es der Gesetzgeber. Aber für wen würde er sein Kreuzchen machen, wenn man ihn ließe? "Für Frau Merkel, weil sie uns geholfen hat", sagt er, "auch der Familie." Sein Kumpel, der 17-jährige Schero pflichtet ihm bei: "Frau Merkel ist unsere Mutter, oder eher unsere Oma." Beide lachen. Bald müssen sie los, bald kommt der Bus.

Selbst wenn er einen deutschen Pass hätte, dürfte Schero in Deutschland nicht wählen. Schließlich ist er minderjährig - genau wie Victor und Deshawn, die um 15 Uhr in der Innenstadt unterwegs sind. Ob sich die beiden überhaupt Gedanken um die Wahl gemacht haben? "Ich würde CDU wählen, sagt Deshawn: "Die Merkel macht gute Arbeit." Sein Freund Viktor meint: "Alles, nur nicht AfD!"

Das sieht man auch im "No Name" so. AfD und NPD sollen ihre Stimmen nicht bekommen. Trotz all des Wetterns gegen die Flüchtlingspolitik: Rechts wollen die Kneipengäste nicht sein. "Es soll hier nicht wieder zugehen wie zu Großvaters Zeiten", sagt einer. "Jeder weiß, dass die Nazis es nicht besser machen", meint ein anderer. Da wird lieber geschimpft über "die da oben", auf Bierdeckel gekritzelt statt auf Stimmzettel.

Es wird noch einige Male laut an diesem Nachmittag - zum Beispiel als die usbekische Wirtin die Bundeskanzlerin in Schutz nimmt: "Merkel hat keinen Fehler gemacht." Der Gast gegenüber zieht scharf die Luft ein. "Ja", sagt sie zu ihm, "da brauchst du gar nicht so böse zu gucken." Er fährt sie an: "Ich werd gleich sauer!" Sie kramt eine Dose hervor und öffnet sie. Darin sind Zuckerwürfel. "Hier, zur Beruhigung", sagt sie und lacht. Ein paar Sekunden schafft er es, ihrem Blick standzuhalten, dann fällt auch er in das Gelächter ein. "Ach komm, mach mir lieber nen Jägermeister! Zack, Zack!"

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