Die drei Probleme des Karnevals

Die Narren haben in diesem Jahr wirklich Pech. Denn der frühe Karnevalstermin beschert ihnen am entscheidenden Wochenende ziemlich mieses Wetter. Dennoch waren seit Donnerstag schon Tausende in der Region unterwegs. Und selbst bei Dauerregen werden es in den kommenden Tagen Zehntausende sein, die Straßenfastnacht feiern. Rathaus-Erstürmung oder ein Umzug und anschließend Party, das kommt an - generationenübergreifend.


Im Vergleich dazu ist die Saalfastnacht in vielen Orten auf dem absteigenden Ast. Die Zeiten, in denen Kappensitzungen fast überall in kurzer Zeit und manchmal mehrfach ausverkauft waren, sind längst vorbei. Die Zahl der mangels Publikum abgesagten Veranstaltungen wächst von Jahr zu Jahr. Närrisch engagierte Menschen empfinden das oft als Undankbarkeit und mangelnde Wertschätzung gegenüber ihrem Bemühen um die Traditionspflege. Dies ist es aber keineswegs.

Vielmehr sind in zu vielen Orten die Aktiven zusammen mit ihrem Publikum in Würde gealtert. Dadurch bekommt die Fastnacht in wachsendem Maße ein demografisches Problem. Zugleich ist man - in guter alter Sitzungstradition - stolz darauf, eine möglichst große Zahl an Nummern auf die Bühne zu bringen.
Manche davon sind qua Naturtalent wirklich gut. Wie überall, wo es um Talent geht, ist es meist rar. Deshalb ist es praktisch unmöglich, die manchmal bis zu sechsstündigen Programme auf einem Niveau zu halten, um eine zunehmend mobile, mediale Abwechslung gewöhnte junge Zielgruppe zu erreichen. Es ist schlicht überambitioniert, mit Amateuren etwas schaffen zu wollen, was sich kein versierter Show-Produzent mit Profis zutrauen würde.

In Zeiten, als es drei Fernsehprogramme und dort zwei kurze Comedy-Shows pro Woche gab, war dies anders. Heute ist professionelle Comedy praktisch permanent verfügbar und jederzeit auch wieder abschaltbar - kostenlos. Jungen Menschen, die daran gewöhnt sind, ist kaum zu vermitteln, dass sie sich mehrere Stunden in einen Saal setzen sollen, um die qualitativ sehr unterschiedlichen Auftritte ihrer Onkels oder Nachbarn anzusehen und dafür auch noch Geld zu bezahlen.

Ganz zu schweigen davon, dass die Sitzungen durch oft quälend lange Auftritte unterschiedlicher Prinzen aufgebläht werden. Für Traditionalisten ist das eine Art von Wertschätzung, für viele allerdings nur langweilig.
Die Saalfastnacht hat mithin nicht nur ein demografisches, sondern auch ein dramaturgisches Problem, hinzu kommt das sich wandelnde Unterhaltungsumfeld, das eine früher nicht vorhandene Konkurrenz erzeugt. Das mag man bedauern, verändern wird man es nicht, es sei denn, Karnevalisten übernehmen die Regentschaft in Fernsehen und Rundfunk und schaffen es, das Internet zu sperren. Daher muss die Saalfastnacht sich wandeln, kürzer, schneller, fokussierter werden, wenn sie die nächsten 20 Jahre in der Breite überleben will. Mit langen Sitzungen, an denen unabhängig vom Talent praktisch jeder mitwirken darf, der will, konnte man vor 30 Jahren Erfolg haben. Damals kaufte man - mangels unterhaltsamer Alternativen - aber auch noch Langspielplatten, auf denen Fips Asmussen Witze erzählte. Der wird übrigens am 30. April 78 Jahre alt.
l.ross@volksfreund.de

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