Flüchtlinge und CIA sind schuld, wer auch sonst?!

Ursprünglich wollte ich in meinem letzten Klartext des Jahres schreiben, dass ich traurig bin, dass es so viele Menschen gibt, die ich für vernunftbegabt hielt und die sich nun als nicht sonderlich denkstark erweisen und jedes noch so abwegige Gerücht und jede noch so krude Verschwörungstheorie aus offensichtlich dubiosen Quellen im Internet glauben und verbreiten, während sie hinter unabhängigen, solide recherchierenden Medien „böse Mächte“ vermuten.

Der Grund: Jede auch nur halbwegs seriöse Recherche kommt zu dem Schluss, dass 99 Prozent dieser Gerüchte und 100 Prozent der Verschwörungstheorien null Wahrheitsgehalt haben. Was natürlich den mühevoll gehegten Vorurteilen solcher Menschen widerspricht, so dass sie Zuflucht zu einer weiteren Verschwörungstheorie nehmen, diesmal der von der "von oben gesteuerten Lügenpresse".

Da das Perfide an Verschwörungstheorien ist, dass man sie umso schwerer widerlegen kann, je absurder sie sind, habe ich mich dafür entschieden, den Raum meiner letzten Kolumne des Jahres, nicht dem bei denen, die es lesen (und verstehen) müssten, weitgehend hoffnungslosen Kampf gegen Gedankenlosigkeit (manche nennen es auch Dummheit) zu widmen. In der Hoffnung, dass mir an dieser Stelle alle folgen können, schreibe ich übers Wetter: Ja, es ist zu warm. Ja, auch ich will keine Stechmücken im Dezember haben. (Gerade habe ich in meinem Büro eine erschlagen.) Ja, mir wären kalte, weiße Weihnachten auch lieber.

Aber: Ich kann mich in meinem inzwischen 48 Jahre währenden Leben maximal an zwei Jahre erinnern, in denen an Heilig Abend Schnee lag. Dafür erinnere ich mich an mindestens 20, in denen es 10 Grad warm war und regnete. Ich habe das nicht anhand von meteorologischen Tabellen überprüft, bin mir aber dennoch ziemlich sicher: So richtig extrem ungewöhnlich ist ein milder, regnerischer Dezember nicht. Grau und unangenehm ist es dennoch, dieses Wetter. Und ich fürchte, dass man, würde man im Internet lange genug suchen, auch dafür eine Erklärung fände, die den frühlingshaften Winteranfang auf verschlungenen Wegen mit Flüchtlingsströmen ("Die kommen ja aus - in der Regel - wärmeren Ländern!") oder gar noch größeren Weltverschwörungen ("Die CIA experimentiert seit dem Zweiten Weltkrieg mit einer Klimabeeinflussungsmaschine, die vorher Hitler als Geheimwaffe entwickeln ließ!") erklären ließe.

Mein Versprechen zum Jahresende: Wenn irgendeiner meiner Facebook-Freunde, die ich bei weitem nicht alle wirklich kenne, so etwas teilt und ich es sehe, werde ich diesen aus meiner Freundesliste löschen. Und das nicht heimlich, sondern ich werde den Vorgang mit der Begründung, dass damit die Minimal-Anforderung an den Intellekt unterschritten wurde, inklusive Namen öffentlich posten. Und da ich gerade dabei bin: Mit den anderen Fremdenfeinden, Gerüchte- und Verschwörungsgläubigen, mache ich es ab sofort ebenso. Diese und weitere Kolumnen finden Sie im Internet unter der Adresse www.volksfreund.de/kolumne

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