Hermes oder die Geburt der Venus - mit links!

IRRHAUSEN. Seit mehr als 30 Jahren lässt Peter Weiland aus Irrhausen teils lebensgroße Figuren aus Sandstein und aus Holz entstehen. Das Ungewöhnliche an seiner künstlerischen Arbeit: Er kann nur seinen linken Arm nutzen.

 Peter Weiland erklärt sein Werk: Die aus der Muschel aufsteigende Venus.Foto: Anton Seiberts

Peter Weiland erklärt sein Werk: Die aus der Muschel aufsteigende Venus.Foto: Anton Seiberts

Um die imposante Dorfkirche hängen noch die Nebelschwaden. Doch Peter Weiland hat auf der Anhöhe oberhalb des idyllisch im Irsental gelegene Eifeldorfes Irrhausen längst das Werkzeug ausgepackt. Er macht sich an einem großen, gelben Sandsteinquader zu schaffen. Doch ehe man zu Peter Weiland an seiner ‚Casa Weiland‘ vordringt, haben den erstaunten Gast schon etliche teils lebensgroße Skulpturen begrüßt.Da steht an der Zufahrt zum Grundstück ein ganzes Katzenorchester. Auf der anderen Seite die "Vier Jahreszeiten", geschnitzt in einen Kirschbaumstamm von 1,40 Metern Durchmesser. Ein paar Meter weiter entsteigt die Venus ihrer Muschel. Am gewaltigen, mit Natursteinen gemauerten Torbogen empfängt ein rundlicher Mönch die Gäste. Er hält einen Krug in der Hand, hinein sind drei Buchstaben eines heimischen Gebräus gemeißelt. Und wer den Hausherrn kennt, der weiß, dass diese Figur ein Symbol für die Lebensfreude und Gastfreundschaft in seinem teils mit Zinnen bewehrten Heim ist. Aber wer von dem fast 70-jährigen Irrhausener erfährt, wie er zur Bildhauerei gekommen ist, beginnt zu staunen.Peter Weiland, gelernter Maurer und später Bauleiter bei einem großen deutschen Baukonzern, traf 1966 ein schweres Schicksal. Ein Arbeitsunfall kostete ihn die Funktion seines rechten Armes. Die abgetrennte Hand nähte Dr. Fischer im Prümer Krankenhaus wieder an. Doch werkeln und meißeln kann er mit dem Arm und der Hand nicht mehr. Damit nicht genug: Da er nicht mehr gefordert wurde, drohte der andere Arm zu erlahmen. Was lag da für einen Maurer näher als einen Hammer in die Hand zu nehmen und auf Stein zu klopfen? Und das tat Weiland. Zunächst, um seinen wohlbehaltenen Arm zu kräftigen."Irgendwann dachte ich, du bist doch nicht blöd, was klopfst du immer nur mit dem Spitzhammer auf den Stein, probier mal, ob du damit nichts fertig kriegst", beschreibt er die Initialzündung. "Und tatsächlich, es gelang."Seine ersten Werke waren die "Gewände" (Sandstein-Einfassungen der Fenster eines Erkers an seinem Wohnhaus). Rundum sind zahlreiche Szenen des Alten Testamentes aus Sandstein herausgearbeitet. "Dazu brauche ich vielleicht dreimal so lange wie einer mit zwei Händen", sagt Weiland. dann kam die Idee mit den Figuren: Zuerst hat Weiland Figuren restauriert, fehlende Arme und Beine erneuert. Danach ist er erste Figuren angegangen. "In Irrhausen steht unten der Brunnen, das war eine meiner ersten Arbeiten." Nach dem Umfang seines künstlerischen Lebenswerks befragt, kann er die Zahl seiner Stücke nur noch schätzen: "Ich würde sagen, ich habe vielleicht um die 300 bis 400 Figuren gemacht." Wie viele Werke insgesamt auf seinem eigenen Grundstück stehen, kann Peter Weiland auf Anhieb auch nicht beantworten.Das Auftragsbuch ist voll

Auf Schritt und Tritt kann der Besucher jedoch dessen "linke" Handschrift erkennen. Auch im Gästezimmer ziert ein großer Sandsteinrundbogen den Durchgang zur Ankleide. Adam und Eva, "Alpha und Omega" sowie "Ora et Labora" hat der Bildhauer hier in Stein gehauen - natürlich nur mit der linken Hand.Dass Weilands Neffen, die das Traditionsbauunternehmen seines Bruders heute fortführen, gerne Abnehmer seiner Skulpturen sind, wundert nicht. Dafür sind sie ihrem Onkel immer behilflich, wenn der Sandsteinquader auf den Block gesetzt werden muss oder ein Transport zu machen ist. "Für mich selbst müsste ich noch etwa zehn Figuren machen", beschreibt er seine Auftragslage und wendet sich seinem derzeitigen Objekt zu. Die "nicht zu gebrauchende Hand" steckt er, damit sie nicht hindert, in die rechte Hosentasche, nimmt den leichten Elektromeißel in die andere Hand und schlägt die Figur aus dem Stein. "Mann muss sie nur heraushauen", beschreibt er eine alte Bilhauerweisheit.Und das alles mit links!

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