"Jedes Stück ist eine Art Befreiung"

BITBURG. (red) "Play In" in Biturg: 120 junge Musikerinnen aus Belgien, Luxemburg und Deutschland erarbeiteten dort ein Konzertprogramm (der TV berichtete). Dirigent und Komponist Thomas Doss hatte die musikalische Gesamtleitung. Anlass für den Vorsitzenden des Kreismusikverbands Bitburg-Prüm, Hans Fomin, Doss einige Fragen zu stellen.

Wie wird man Komponist?Doss: Wahrscheinlich, indem man immer wieder den selben Vorgang wiederholt, nämlich Musik zu erfinden. Das kann nur aus einem inneren Bedürfnis heraus stattfinden, da diese ständige Wiederholung viel Zeit und Kraft erfordert. Materiell gesehen ist es aber kaum möglich, nur vom Komponieren zu leben, wenn man einen gewissen Sicherheitsstandard erhalten möchte. Ein richtiger Komponist ist für mich nur, wer ausschließlich davon und nur dafür lebt. Das ist eine Spezies, die langsam ausstirbt. Ich zähle mich nicht dazu. Wie entsteht eigentlich ein Musikwerk, und was empfinden Sie beim Komponieren?Doss: Das Komponieren ist ein Handwerk, welches genauso zu erlernen ist wie jedes andere. Auch kann ich es nur durch das tatsächliche Tun erlernen und nicht durch Theorie. Instrumentation und Komposition sind eng miteinander verbunden. Das Gefühl für Farben und Klänge muss vorhanden sein und lässt sich entwickeln. Der Vorgang geht von der Inspiration und der Idee über die Skizze bis hin zur formalen Ausgestaltung und Instrumentation. Bis zum letzten Vorgang kann kreativ gearbeitet, verändert werden. Jedes Stück, das ich schreibe, ist eine Art Befreiung. Die Zeit des Reifens der Idee und dem Beginn der ersten Skizzen ist die schönste Phase. Wie viele Musikwerke haben Sie für Blasorchester bisher geschrieben, und welches ist Ihr Lieblingsstück?Doss: Ich habe nicht gezählt, aber es werden wohl um die 50 Werke sein. Das Lieblingsstück gibt es nicht. Pädagogische, zum Beispiel die Alpina-Saga, oder Idendifikationsstücke wie Conatus oder Luceafarul. Mein Lieblingsstück ist noch nicht geschrieben und sicher nicht für Blasorchester. Der Klang der Streicher ist bei aller Liebe zum Blasorchester nicht zu überbieten. Wenn Sie zum ersten Mal mit einem unbekannten Orchester arbeiten, wie gehen Sie vor, und was erleben Sie persönlich dabei? Doss: Für mich sind es, egal in welchem Land ich arbeite, immer die gleichen Menschen hinter den Instrumenten, die ich versuche zu verstehen und deren Mentalität kennenzulernen. Es sind aber immer die selben Bedürfnisse, Freuden und Probleme, die diese Menschen haben. Der Respekt vor den Leuten ist sehr wichtig. Und ich verlange das auch mir gegenüber, denn nur gemeinsam ist das Ziel zu erfüllen: der Musik zu dienen und das Publikum an dieser Freude teilhaben zu lassen. Es ist immer schön zu erleben, wie ein Kollektiv zusammenwächst und sich zu einem funktionierenden, sozialen Organismus entwickelt. Man kommt zwar nicht immer gleich weit, aber die Richtung muss zumindest stimmen. Welchen Stellenwert hat die Blasmusik in unserer Gesellschaft, und was sollte man verändern?Doss: Ich bin mir nicht ganz sicher, welchen Stellenwert sie gerade jetzt hat. Zweifellos steigt er aber ständig. Ich bin mir sicher, dass sich die Amateurmusik und insbesondere die Blasmusik zu einem gesellschaftlichen Selbstverständnis etablieren wird, das weit weg von Bierzeltkultur stehen wird. Man erkennt langsam aber sicher auch in Kreisen, die mit Blasmusik bisher noch nichts am Hut hatten, wie wichtig es ist, jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, in einem Ensemble mitzuspielen. Wenn dann auch noch gute Musik gemacht wird, kann man nur mehr zufrieden sein. Genau da liegt die Chance der Blasmusik. Das Sinfonieorchester wird aber nie zu ersetzen sein, es hat sich seinen Platz in der Kunst zu Recht erkämpft. Beide haben einen unverzichtbaren Platz in der Gesellschaft: Hochkultur zum Einen, soziale und kulturell-musikalische Bildungseinrichtung zum Anderen. Wie hat Ihnen die Arbeit mit dem Play-In-Orchester gefallen? Welchen Rat geben Sie den Musikern für die Zukunft?Doss: Im Prinzip ist es genau der Gedanke, der am Proben-Wochenende in der Luft hing: mehr als 100 junge Musiker dazu zu bringen, dass sie es in drei Tagen schaffen, 50 Minuten musikalisch-emotional geordnete Zeit akustisch einem Publikum vorzutragen. Dazu gehören einerseits die Rahmenbedingungen, andererseits die Musiker selbst. Einen Rat kann ich nicht geben, sondern nur einen Wunsch aussprechen: Nämlich, dass die Musiker so lange die Nachfrage da ist, ein entsprechendes Angebot bieten. Dafür braucht es Leute, die idealistisches Feuer in sich tragen und dafür arbeiten. Schön, dass es sie noch gibt.

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