Kunst statt Kompass

ERNZEN. Das "Bleistiftmikado", eine Plastik des Bildhauers Roland Michel aus Auw an der Kyll, wird derzeit vor dem Besucherzentrum der Naturerkundungsstation Teufelsschlucht installiert. Sie verweist auf die Natur- und Kulturdenkmäler des Ferschweiler Plateaus – und darf beklettert werden.

Wie zufällig fallen gelassen liegen die sechseckigen, baumstammgroßen "Bleistifte" kreuz und quer übereinander. Der Eindruck von Zufälligkeit trügt jedoch. Roland Michels Plastik "Bleistiftmikado", die derzeit vor dem Besucherzentrum der Naturerkundungsstation Teufelsschlucht entsteht, hat System. "Jeder der Bleistifte zeigt auf ein natur- oder kulturhistorisches Denkmal", erläutert der Künstler die Funktionsebene seiner Plastik. Und Denkmäler gibt es auf dem Ferschweiler Plateau und in seiner näheren Umgebung reichlich. Bekannt ist die Gegend für die bizarren Felsformationen des Luxemburger Sandsteins und ihre kleinräumige Landschaftsstruktur. Darüber hinaus gibt es auf dem Plateau eindrucksvolle Spuren menschlichen Wirkens. Sie reichen von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Darunter sind Menhire aus der Jungsteinzeit, keltische Gräber und Befestigungsanlagen, eine römische Villa und die moderne Plastik, die Roland Michel bereits 2001 installierte. Die Länge der "Bleistifte" orientiert sich maßstäblich an ihrer Entfernung zum jeweiligen Denkmal. In die Richtung der nahe gelegenen Teufelsschlucht (Entfernung: 374 Meter) weist daher der mit 37,4 Zentimetern kürzeste "Bleistift". Der längste (7,2 Meter) zeigt, wenn man seine Blickachse verlängert, auf die 7,2 Kilometer entfernten Steinkistengräber. Mit seiner funktionellen Seite unterstützt das Kunstwerk die Arbeit der Naturerkundungsstation Teufelsschlucht. Diese besteht vor allem darin, Landschaft zu interpretieren und dadurch das natürliche und kulturelle Erbe der Region sichtbar zu machen. Der Betrachter des "Bleistiftmikados" soll sich mit den Denkmälern des Ferschweiler Plateaus und somit auch mit der Entstehung dieser Natur- und Kulturlandschaft auseinandersetzen. Farben deuten auf Denkmäler hin

Durch seinen wissenschaftlichen Aspekt passt das Projekt hervorragend in den rheinland-pfälzischen Kultursommer 2005, der unter dem Motto "Kunst und Wissenschaft" steht. Darüber hinaus sei das "Bleistiftmikado" ein Kunstwerk, das man auf einer optisch-ästhetischen Ebene wahrnehmen könne, eine gute Plastik, sagt Michel. Ihre Einzelelemente stehen zueinander in einem spannungsreichen Beziehungsgeflecht und ergeben dennoch ein harmonisches Ganzes. Auch die Luft als Raum zwischen den Bleistiften spielt eine Rolle. Kinder sollen sie im doppelten Sinn begreifen können: physisch durch das Darüberklettern und geistig durch das Verfolgen der Blickachsen. Den Bleistift empfindet der Künstler als Symbol für das Aufzeichnen und die Weitergabe von Wissen. Das Eichenholz für die Plastik wurde vor Ort geschlagen und in einem Ernzener Sägewerk bearbeitet. Die überdimensionalen Stifte sollen jedoch nicht naturfarben bleiben. Sie erhalten eine symbolische Farbgebung: der einzige knallrote Stift steht für die Teufelsschlucht, während purpurrot herrschaftlichen Sitzen wie der Römischen Villa Bollendorf oder der Prümer Burg vorbehalten ist. Grün verweist auf prägnante Naturdenkmäler der Region wie die Irreler Wasserfälle oder den Felsenweiher. Blau steht für Transzendentales - die Steinkistengräber zum Beispiel. "Türkis, als Mischfarbe aus Blau und Grün steht für die Klausen, weil diese, wie die Schankweiler Klause, zudem an besonders schönen Orten liegen", sagt Michel. Mit Gelb verweist der Bildhauer auf sich selbst - beziehungsweise auf seine Bleistiftplastik von 2001.

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