Die Wärme der Straße

In einer komplexer werdenden Welt wächst die Sehnsucht nach nach Gewohntem, nach verlässlich immer Wiederkehrendem. Denn die Zahl der Dinge, die einem durch ihr naturgesetzgleiches Auftreten ans Herz wachsen, wird immer kleiner.

Manchen bewegt dies zur Hinwendung zu höheren Mächten, manchen genügen kleinere Dinge, an denen sie sich in der immer wilder werdenden Wildnis des Alltags orientieren können. So breitet sich in mir schon auf dem drei mal wöchentlichenWeg auf der Bundesstraße 51 zwischen Trier und Bitburg und umgekehrt eine wohltuende Ruhe aus. Das war nicht immer so. Ich führe die Entwicklung großzügig auf Altersweisheit zurück. Ich habe begriffen, dass dieser Weg - wenn man von den Risiken des Straßenverkehrs absieht - ganz eigene Sicherheiten bietet. Immer öfter habe ich das Gefühl, den Spanier in seinem 40-Tonner schon einmal gesehen zu haben, wie er mir mit mindestens 90 Stundenkilometern entgegenkommt und trotz des Überholverbots für LKW lustig an einem seiner Kollegen aus den Niederlanden vorbeizieht. Und kenne ich nicht auch den roten Escort mit Trierer Kennzeichen schon, der nicht bemerkt, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 schon vor zwei Kilometern endete. Und jener Landwirt, der um 9 Uhr seine Strohballen stolz nach Hause kutschiert, ich habe auch ihn schon einmal gesehen. In fast neun Jahren auf dieser Strecke ist in mir eine Art fast familiärer Bindung zu meinen zahlreichen Mitnutzern der Straße gewachsen. Das gilt offenbar auch für jenen Landwirt, der die familiäre Wärme der Schlange, die sich hinter ihm gebildet hat, so sehr genießt, dass er drei Möglichkeiten auslässt, bevor er anhält, um die 30 Autos hinter sich vorbeizulassen. Und beim Gedanken, ihn vielleicht wieder zu sehen, habe ich heute schon beim Aufwachen sanft gelächelt. Denn schließlich ist heute der 1. April.

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