Geschichte vom Pferd

Ich habe Namen früher keine Bedeutung beigemessen, aber mit dem Alter scheint mein Nachname doch auf mein Verhalten abzufärben. Nun kann man sich dabei allerlei unfreundliche Dinge ausdenken, in denen sich das niederschlagen könnte.

Der für mich unerfreulichste Wesenszug, den man Rössern - oder gebräuchlicher: Pferden - gemeinhin zuschreibt, wirkt zunächst gar nicht so übel. Es ist der, dass sie sich angeblich oft gegangene Wege so genau einprägen, dass sie sie im Schlaf laufen können. So hilfreich das klingt, so hinderlich ist es, wenn man am Abend aus dem Büro kommt und forschen Schrittes einem hunderte Male angesteuerten Parkplatz zustrebt. Nach fast einem halben Kilometer zu Fuß steht man schließlich da, wo man schon so oft vor seinem Auto stand. Da sind viele Autos, nur eines fehlt: das eigene. Genau an dieser Stelle verflucht man das Pferdegemüt, das einem den Weg so sicher gewiesen hat und dabei außer Acht ließ, dass man, weil's am Morgen regnete, ganz nah am Büro, wo man sonst nie einen Platz findet, geparkt hatte. Auf dem Weg zurück wächst stets die Hoffnung, dass nicht nur das "Den-Weg-Im-Schlaf-Finden", sondern auch die "Freude am Laufen" von meinen tierischen Namensvettern auf mich abfärben möge.Lars Oliver Ross In der neuen Kolumne "Guten Morgen" beschreiben wechselnde Autoren ihre Gedanken zum Tag.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort