Schwelle muss herunter

Festival-Organisator Josef Zierden ist auf dem besten Weg, seinen zum Teil sensationellen Coups einen weiteren, wenn auch ganz anders gelagerten hinzuzufügen. Natürlich ist der 18-Jährige Daniel Küblböck nicht in einer Reihe mit Plenzdorf, Kempowski oder Wallraff zu nennen.

Aber: Wie viele Jugendliche besuchen freiwillig Lesungen solcher von der Hochkultur anerkannten Star-Autoren, wenn sie nicht gerade von ihrem Lehrer für die Schule dazu gezwungen werden? Hier ist ein Wechsel der Perspektive gefragt: Wer privat gar kein Buch in die Hand nimmt, kommt erst gar nicht auf die Idee, sich irgendwann mal ein Werk von Lenz, Pausewang oder Grass zuzulegen. Die Einstiegsschwelle muss herab gesetzt werden, gerade auch wegen Pisa. Wenn ein Küblböck es schafft, die Klientel der Videospiel-Junkies und SMS-Weltmeister zum Lesen mehrerer Seiten vollständiger Sätze zu bringen - bitteschön! Ein kluger Schachzug ist Zierdens Vorhaben, Küblböcks Auftritt außerhalb des arrivierten Festivals anzusiedeln und als Zusatzangebot zu vermarkten. Damit nimmt er den Kritikern viel Wind aus den Segeln, gewinnt aber gleichzeitig neue Zielgruppen. Es dürfte nicht schwer fallen, Stadthalle oder Hauptschulaula mit Küblböck-Fans zu füllen. Wer den jungen Mann nicht mag, kann ja zu Hause bleiben. Richtig interessant wird es allerdings erst, wenn auch Kritiker die Gelegenheit nutzen, sich selbst ein Bild vom angeblich "nervigsten Deutschen" zu verschaffen. Die heute allseits umjubelten Entertainer Gottschalk, Jauch, Engelke und Schmidt waren zu Beginn ihrer Karriere vor allem flapsig, frech und unkonventionell - wie unser Daniel. m.hormes@volksfreund.de

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