Unter Niveau

Unsere Gesellschaft unterzieht sich gegenwärtig einem schwer wiegenden Wandel. So finde ich es zum Beispiel zwar ausgesprochen begrüßenswert, dass es eine solch honorige Unternehmung wie die "Stiftung Lesen" gibt, deren Aktivisten dazu aufrufen, ein gutes Buch der "daily soap" vorzuziehen.

Aber ist es nicht bedauerlich, dass es eine solche Initiative überhaupt geben muss? So stellt sich für mich auch die Frage, mit welchem Recht ein Daniel Küblböck, dessen Sangeskünste ebenso mittelmäßig sind wie seine literarischen Qualitäten, in die Phalanx der Superstars aufsteigen kann. In einem Zeitalter, in dem Entertainer wie Stefan Raab Abiturienten zur Schau stellen, die nicht einmal wissen, wer Willy Brandt war, und während einer fragwürdigen Geistesphase unseres Landes, in der in der Liste der berühmtesten Deutschen eben dieser Daniel K. noch deutlich vor dem amtierenden Bundeskanzler rangiert, muss man allen Ernstes die Frage stellen, ob man diesem Treiben weiter Vorschub leisten soll. Pisa lässt grüßen. Ohne dem Menschen Daniel Küblböck, der offensichtlich eine ausgesprochen schwierige Kindheit hinter sich gebracht hat, nahe treten zu wollen: Eine Autorenlesung wäre im Vergleich mit dem, was Prüm sonst literarisch zu bieten hat, schlicht unter Niveau. Das Übel muss stattdessen an der Wurzel gepackt werden: Nicht vermeintliche Superstars zu den jungen Leuten bringen, sondern junge Leute an den wahren Sternstunden literarischer Künste teilnehmen lassen. Wie wär‘s mit Lenz, Pausewang oder Grass? Diese Liste ist (noch) unerschöpflich. m.reuter@volksfreund.de

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