Wiedersehen nach 20 Jahren

Neulich bin ich zum Klassentreffen gefahren. Nach 20 Jahren ein erstes Wiedersehen. Ich nehme mir vor, früh da zu sein, und ganz in Ruhe jeden Neuankömmling unter die Lupe zu nehmen. Doch dann komme ich schon zu spät von zu Hause weg.

Hinter Köln beginnen die Baustellen. Ich komme viel zu spät. Endlich angekommen begegnet mir im Restaurant ein mittelalter blonder Mann mit Bart und Brille: "Schön, dass du auch zum Klassentreffen kommst", sagt er. Ich habe keine Ahnung, wer er ist und tippe auf eine Verwechslung. Treppe runter, zwei Frauen quietschen: "Guck mal, da kommt die Steffi." Bei mir sickern mühsam ihre Namen an die Oberfläche. Andere erkenne ich sofort. Ob Markus sich hat einfrieren und vor kurzem wieder auftauen lassen? Sieht aus wie damals. Gleiche Figur, gleiches Grinsen. Und Carmen hat noch immer ihren Pagenkopf. Bei anderen sind die Haare lang oder gar nicht mehr da.

Dann geht es los: Was machst du, hast du Kinder, wo lebst du jetzt und so weiter. Stimmengewirr überall. Eine alte Abi-Zeitung wird ausgekramt. Da stehen unsere Berufswünsche drin. "He Erdogan - hier steht, du willst Arzt werden. Und, was bist du geworden?" "Arzt", ruft er zurück. Bingo. Unser "Professor" (Spitzname) wurde Professor, unser Sprachengenie Französisch-Lehrerin. Passt ja alles. Wahrscheinlich sind die, aus denen nichts geworden ist, heute nicht da.

Ich gucke nach, was ich als Berufswunsch angegeben habe. "Baguetteverkäuferin" steht da. Was auch sonst mit Französisch-Leistungskurs.

Irgendwann habe ich jedem erklärt, wo ich jetzt wohne und was ich mache und fahre erschöpft nach Hause. Es war schön, auf Zeitreise zu gehen. In 20 Jahren werden wir uns wiedersehen und uns fragen: "Bist du noch verheiratet?" "Wie viele Enkel hast du?" und "Hast du schon deine Rente durch?" - Obwohl, letzteres wahrscheinlich nicht. Da arbeiten wir bestimmt bis 77.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort