guten_morgen_rm

Alle Welt fährt per Auto zur Arbeit. Ich nicht. Als Städter mit beruflichem Basislager in der City gönne ich mir den Luxus des Stadtbus-Fahrens. Zugegebermaßen nicht nur, um das Weltklima zu retten, sondern auch, weil es so ungemein spannend ist.

Vor allem wegen der Gespräche, die man zwangsläufig mitbekommt. Die Themen: unerschöpflich, und sich im Lauf der Jahre verändernd. Letztens ist mir aufgefallen, dass die älteren Herren, die so gerne mit ihren Kriegserlebnissen prahlen ("Da haben wir dem Iwan den T-34-Panzer unterm Hintern weggeschossen"), nicht mehr mit von der Partie sind. Erst haben sie sich zu dritt gegenseitig auf die Schulter geklopft, dann waren es noch zwei, und nun begegne ich keinem mehr. Auch die kommunikationsmuffeligen Jünger der Tamagotchi- und Game-Boy-Generation scheinen ausgestorben. Was alles überdauert, das sind die Top-Themen Krankheit, Siechtum, Sex & Crime, bevorzugt dargeboten von Frauen. Die sind - auch das eine Erfahrung jahrzehntelangen Busfahrens - weitaus mitteilungsfreudiger als Angehörige des männlichen Geschlechts. Wenn vor oder hinter mir der verhängnisvolle Satz "Haben Sie/hast Du schon gehört….?" fällt, wird's prickelnd. Normalerweise schweige und genieße ich dann. Letztens habe ich mich doch einmal in eine Diskussion zweier älterer Damen eingeschaltet, die über die wilde Ehe einer (natürlich nicht anwesenden) Nachbarin herzogen und ihrer Entrüstung über die um sich greifende Unmoral auf der Welt lamentierten."Ach wissen Sie, auch ich lebe mit einer verheirateten Frau zusammen. Die hat sogar zwei Kinder", erklärte ich jovial und erntete sprachloses Entsetzen und Blicke voller Fassungslosigkeit. Den sehr ausführlichem Schockmoment ließ ich genüsslich ausklingen, um dann aufzuklären: "Es handelt sich dabei um meine Frau und meine Kinder." Und dann: Nix wie raus an der nächsten Haltestelle. Im Bus laut loszulachen, dazu reichte mein Mut dann doch nicht.

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