Ein geiles Gefühl: Steil in den Himmel

Kampfjets polarisieren. Die Einen leiden unter dem Lärm, den sie verursachen. Die Anderen würden am liebsten einmal mitfliegen und die Schallmauer durchbrechen. Diese seltene Gelegenheit hatte TV-Leser Christian Gerard (41) aus Mehring, der im Folgenden seine Eindrücke schildert.

 Captain Brain Brian „Boose“ Kellam nach dem Angurten vom „Fluggast“ Christian Gerard an den Schleudersitz. Fotos: Matthias Becker

Captain Brain Brian „Boose“ Kellam nach dem Angurten vom „Fluggast“ Christian Gerard an den Schleudersitz. Fotos: Matthias Becker

Spangdahlem. (red) Freitagmorgen, 7 Uhr, auf der Air-Base Spangdahlem. Rege Betriebsamkeit kehrt in das Staffelgebäude der 23. Jagdstaffel ein. Dort werden alle Flüge vorbereitet. Auf der Außenwand prangt das von Walt Disney entworfene und seit 1943 gültige Wappen dieser als "Fighting Hawks" benannten Staffel der US-Air-Force.Der erste Übungsflug ist für 10 Uhr geplant. Es handelt sich um einen gemeinsamen Einsatz von zwei F16-Jets. Und in dem einen darf ich im hinteren Cockpit sitzen. Bereits um 7.20 Uhr beginnt die Einsatzbesprechung, im Jargon auch Briefing genannt. Mein Platz im Zweisitzer wird hinter Captain Brian "Boose" Kellam sein.Nach dem Briefing geht es in den "Life Support Shop", wo sich eine neunköpfige Mannschaft um die Ausrüstung der Piloten kümmert. Dazu zählen Helm mit Sauerstoffmaske, Gurtzeug, Anti-G-Hose, Survival-Kit und der Fallschirm im Schleudersitz. Beim Anblick dieser Utensilien wird mir klar: So langsam wird es ernst. Der Flug liegt nun nur noch 90 Minuten vor mir.Schwieriger Einstieg in die graue F16

Nach dem Anziehen der Anti-G-Hose und dem Gurtzeug über den feuerfesten olivgrünen Overall werden wir den Flugzeugen zugewiesen. Ein Bus bringt uns zur F-16 DJ, wo bereits die Bodenmannschaft um Airman Haug auf uns wartet. Gar nicht so leicht, in einen Kampfjet einzusteigen. Und auch beim Anschnallen an den Schleudersitz, dem Anschluss der Anti-G-Hose und dem Aufsetzen des Fliegerhelms brauche ich Hilfe. "Boose" kontrolliert noch einmal alles, dann steigt er ins vordere Cockpit und schließt das Kabinendach.Der Augenblick ist gekommen. Mein Vordermann startet das Triebwerk. Airman Haug gibt mir noch den nicht ganz ernst gemeinten Tipp, ich solle das Cockpit sauber halten. Ansonsten würden fünf Dollar Reinigungskosten fällig. Nun rollen wir gemeinsam mit unserem Wingman "Coach", der das zweite Flugzeug fliegt, zur Start- und Landebahn. Nachdem der Tower grünes Licht gibt, stellt "Boose" das Triebwerk auf Voll-Last und schaltet kurz darauf den Nachbrenner ein. Nach einem kräftigen Ruck verleihen etwa 55 000 PS der F-16DJ eine unbeschreibliche Beschleunigung. Ich werde in den Sitz presst. Schon nach wenigen Augenblicken heben wir steil nach oben ab: ein geiles Gefühl!Die Sicht aus der blasenförmigen Kanzel ist einfach fantastisch. Kurz danach schaltet "Boose" den Nachbrenner aus und zieht die F-16DJ in eine Linkskurve, um die angrenzenden Ortschaften nicht direkt zu überfliegen. Nur wenige Sekunden später stechen wir durch die Wolkenschicht. Uns erwartet ein stahlblauer Himmel.Der spaßige Teil ist vorbei: "Boose" geht in die Kurven

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Links hinter mir erkenne ich "Coach" mit seiner einsitzigen F-16 CJ, der sich langsam nähert. Jetzt habe ich 15 Minuten Zeit, um Fotos zu machen. Nach der Durchsage der Bodenstation, dass wir nun die Trainingszone 305 erreicht haben, weiß ich: Der spaßige Teil des Flugs ist vorbei. "Boose" geht in einige simulierte Luftkampfmanöver. Die heftigen Wechsel von links nach rechts und von oben nach unten mit diversen Schräglagen und Rollen machen mir zuerst nicht viel aus. Dann bemerke ich, dass sich die Anti-G-Hose bei engen Kurven mit Luft füllt. So soll verhindert werden, dass das Blut in niedrige Körperregionen absinkt und man das Bewusstsein verliert. Etwa das 4,5-fache der Erdanziehungskraft, also 4,5 G, haben wir erreicht. Und das beschäftigt meinen Magen zunehmend. Die F16 kann maximal neun G erreichen. Kaum auszudenken, wie ich darauf reagiert hätte!Ich gebe "Boose" schnell zu erkennen, dass er besser nicht noch engere Kurven fliegen soll. Zu meiner Erleichterung sagt er, dass er nun Anflüge auf die Ramstein Air-Base startet. Das gehört zum Übungsprogramm. Danach beschließen wir, zur Spangdahlem Air-Base zurückzukehren. Nach knapp 90 Minuten ist mein Flug beendet. Während ich noch voll von neuen Eindrücken bin, geht es für "Boose" sofort zur Nachbesprechung. Durch diesen Mitflug ist mir klar geworden: Kampfpilot ist ein anspruchsvoller Job und hat nichts mit dem Macho-Image à la "Top Gun" zu tun.

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