Massenkolonne in Richtung Westen

Vor genau 63 Jahren, im Februar 1945 und damit wenige Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs, wurden in Rittersdorf mehr als 1000 deutsche Soldaten in die Gefangenschaft abgeführt - ein Ereignis, an das sich der heute 74-jährige Martin Roths noch gut erinnern kann.

 Der Rittersdorfer Martin Roths, der hier neben dem Keller steht, in dem deutsche Soldaten im Februar 1945 Zuflucht suchten, erinnert sich noch gut an den Einmarsch der Amerikaner in den Ort. TV-Foto: Uwe Hentschel

Der Rittersdorfer Martin Roths, der hier neben dem Keller steht, in dem deutsche Soldaten im Februar 1945 Zuflucht suchten, erinnert sich noch gut an den Einmarsch der Amerikaner in den Ort. TV-Foto: Uwe Hentschel

Rittersdorf. Es waren fünf Männer einer Panzereinheit, deren Befehl es war, die feindlichen Truppen vor dem Ort Rittersdorf zu stoppen. Dabei helfen sollte eine fünf Meter lange und ebenso breite Panzersperre aus dicken Kiefernstämmen, in der Mitte gefüllt mit Sand. Doch als sich schließlich am 25. Februar 1945 amerikanische Soldaten aus Westen kommend mit schweren Panzerverbänden dem Dorf näherten, war schnell klar, dass auch die Sperre, deren Aufbau Wochen und Monate gedauert hatte, die Alliierten nicht aufhalten kann.Einer der fünf Soldaten, die angesichts der ausweg- und munitionslosen Situation den Widerstand aufgaben, war der damals 20-jährige Willi Schultheis. "Wir suchten Schutz in einem Pferdestall", erzählt er, und "bei Anbruch der Dunkelheit wechselten wir zur anderen Straßenseite und gingen im Keller eines Eckhauses in Deckung". Wenige Stunden später wurden Schultheis und seine Kameraden von den Amerikanern gefangen genommen und zur Dorfmitte geführt. "Durch den Überraschungsangriff der amerikanischen Verbände kamen in Rittersdorf mehr als 1000 deutsche Soldaten in Gefangenschaft", die am Tag darauf in einer "Massenkolonne westwärts geführt"wurden, heißt es in den Erinnerungen des heute 83-Jährigen Schultheis, der aus seiner anschließenden Gefangenschaft in Frankreich 1947, am Karfreitag, schließlich entlassen wurde und von dort aus in seinen Heimatort Salem am Bodensee zurückkehrte. Dort lebt er noch heute. Froh, den Krieg überlebt zu haben

Einer, der den Einmarsch der Alliierten und den Abmarsch der Gefangenen ebenfalls erlebte, ist der Rittersdorfer Martin Roths. Er war damals elf Jahre alt, ist heute 74 und hat in den vergangenen Jahren bereits viele Erlebnisse von Zeitzeugen gesammelt und diese auch aufgeschrieben. Auch die Erlebnisse des Soldaten Schultheis hat der Dorfchronist dokumentiert. "Angeblich sollten sich die deutschen Soldaten in Rittersdorf sammeln und von dort aus verteidigen", sagt Roths, doch außer ein paar Pferden und wenigen Waffen hätten sie nichts mehr gehabt. Und so endete in Rittersdorf für viele Soldaten der Krieg schließlich in der Gefangenschaft.Schultheis ist auch heute noch dankbar dafür, in dieser ausweglosen Situation keinen Widerstand mehr geleistet zu haben: "Ich war froh, dass ich diesen sinnlosen Krieg überlebt hatte." Und: "Ich feue mich auf jeden Tag, den Gott mir noch schenkt."

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