Auf den Höfen wiehert der Amtsschimmel

LEIDENBORN. Den Alltag eines Bauern bestimmen nicht nur die Naturgewalten. Mehrfache Kontrollen und Buchhaltung machen einen großen Teil der Arbeit aus. Ohne Computer und Fax läuft nichts.

Die landläufige Vorstellung vom Leben in der Natur hat mit grünen Wiesen zu tun und niedlichen Kälbchen, jedoch kaum etwas mit dem Verwalten von Akten, mit Buchführung oder anderen Büroarbeiten. Doch das ganze Jahr über, neben Ernte und Aussaat, Melken und Tierpflege, wiehert der Amtsschimmel laut auf allen Bauernhöfen. Abgesehen von den Milchkontrollen, den Bodenproben und der Hoftorbilanz, die zur Existenz eines Hofes wie dem von Hermann und Brigitte Schwalen gehört. "Die Büroarbeit entspricht ungefähr einer Halbtagsstelle", sagt Hermann Schwalen und ist froh, dass seine Ehefrau aus ihrem früheren Berufsleben in einer Bank das notwendige Know-how mitbringt. Viele seiner Kollegen, vor allem ältere, die traditionell in die Landwirtschaft hineingewachsen sind, haben weniger Glück. Sie müssen jedoch trotzdem Mittel und Wege finden, den modernen Verwaltungsaufwand zu meistern. "Kein anderer Berufsstand hat so viel und so direkt mit den Auswirkungen von EU-Richtlinien zu tun wie wir", beklagt Schwalen. Grundlage ist, wie in jedem gewerblichen Betrieb, die normale Buchführung für das Finanzamt. Da im Haushaltbegleitgesetz die Pauschalierung wegfallen soll, ist hier steuerrechtliches und betriebswirtschaftliches Fachwissen gefragt - oder es fallen die Kosten für einen Steuerberater an. Kommt ein Kalb zur Welt oder wird ein Tier verkauft, schlägt "Hit" zu: das Herkunfts- und Informationssystem für Tiere, gespickt mit allen Details. Denn jedes Rind braucht gleich am ersten Lebenstag einen Pass und eine Marke mit Strichcode in jedem Ohr. Hat sich ein Irrtum eingeschlichen, kann der nicht in jedem Fall einfach berichtigt werden, sondern zieht erst einmal Telefonate mit der Meldestelle in Bad Kreuznach nach sich. Die Daten gehen an das Veterinäramt bei der Kreisverwaltung. Tierarzt und Tierhalter führen parallel Arzneibücher, in denen Anwendungs- und Abgabebelege, Impfungen und Chargennummer des Medikaments, die Diagnosen sowie die Mengen vermerkt sind. Auch dann, wenn es sich um simplen Hustensaft handelt, den der Landwirt einem Kalb selbst verabreichen darf. "Vollkommen übertrieben", findet Schwalen.Schwalbennester müssen weg

Auch das Landesamt für Jugend und Soziales kontrolliert die Abgabe der Tierarzneien. Warum und mit welcher Zuständigkeit, ist Schwalen unbekannt. Der Agrardiesel jedenfalls, über den ebenfalls akribisch Buch geführt werden muss, wird vom Hauptzollamt kontrolliert, und die Hygiene bei Milchabfüllung in die Kühlbehälter, aus denen die Molkerei die Milch abpumpt, ist Sache des Landesuntersuchungsamtes, "genauso wie bei Bäckereien oder Metzgereien". Normalerweise dürfe kein Schwalbennest mehr in einem Stallgebäude sein. Kompliziert wird es auch bei den Flächennachweisen, in denen jedes Flurstück nach Größe und Bewirtschaftungsart vermerkt ist und die der Kreisverwaltung zur Prüfung für die Prämien vorgelegt werden. "Da wird jeder Baum und jeder Strauch herausgerechnet und das Ganze wird per Satellit überwacht", schildert Schwalen den Aufwand, der verhindern soll, dass bestimmte Prämien, etwa für Getreide, zu Unrecht beantragt werden. Da die Grenzen der Flurstücke jedoch nicht immer mit den Grenzen einer Bewirtschaftungsart übereinstimmen, kommt am Ende ein kompliziertes zwölfseitiges Werk mit Auflistungen heraus. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) kontrolliert dann fünf bis zehn Prozent der Flächen und Höfe im Zufallssystem, auch im Hinblick auf das Förderprogramm Umwelt schonende Landwirtschaft (FUL). Und die Bürokratie wird nicht weniger: Die Qualitätssicherungssysteme für Schlachttiere (QS) und für Milch (QM), Modulation und Cross Compliance als neue Weltmarkt gerechte Regeln der EU bringen weiteren Verwaltungsaufwand. "Aber weniger Geld. Früher haben wir ohne Ohrmarken für ein Bullenkalb 400 Euro bekommen, heute mit all den Kontrollen nur noch 150 Euro."

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