Hilfe im Formular-Dickicht

BITBURG-PRÜM. Ein-Euro-Job heißt es salopp, doch in Wirklichkeit ist es viel mehr: Neben einer Aufwandsentschädigung erhalten Arbeitslose Selbstvertrauen, Qualifizierung, Anerkennung und das Gefühl, gebraucht zu werden.

Die Wand ist in hellem Ocker gestrichen. In der Ecke steht ein Computer, Schreibtisch und Schränke sind aus Kiefernholz. Herbert Kirchen (Name geändert) blickt sich in seinem neuen Büro um: "Bisschen alternativ vielleicht, aber alles drin." Seit Oktober arbeitet der gelernte Steuerfachgehilfe beim Alibi Eifelservice. Er berät Arbeitslose, die Probleme haben, ihren Antrag für das Arbeitslosengeld II auszufüllen.Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Makel im Lebenslauf

Das Besondere dabei: Herbert Kirchen ist selbst arbeitslos. Er hat sich freiwillig für einen so genannten Ein-Euro-Job gemeldet. Zusätzlich zu seinen 345 Euro Arbeitslosenhilfe erhält er neben Miete und Heizkosten dafür noch 130 Euro Aufwandsentschädigung monatlich. Dafür arbeitet er 30 Stunden in der Woche. Der Eifeler ist seit zwei Jahren ohne Job und gilt damit als Langzeitarbeitsloser. "Das war ein ganz neues, schlechtes Gefühl", erinnert sich Kirchen. Doch er blieb nicht tatenlos. Derzeit legt er die Prüfung zum Bilanzbuchhalter ab. Ein Mal wöchentlich nimmt der 39-Jährige am Bewerbertraining von Alibi teil. "Außerdem mache ich viele Weiterbildungen, die ich aus eigener Tasche finanziere", sagt er. Mit Kostenrechnungsseminar, EDV-Kurs und einer Zusatzausbildung in Steuerrecht möchte er sich so gut wie möglich qualifizieren, um den Makel der Langzeitarbeitslosigkeit wett zu machen. Für seine Hobbys reicht sein Geld nicht mehr. Fußball spielen geht er zwar noch, aber die Karten für Basketball- oder Bundesligaspiele sind zu teuer geworden. An Fahrten seines Fußballvereins nimmt er auch nicht mehr teil. Seine Familie reagierte positiv auf seine Bereitschaft, einen Ein-Euro-Job anzunehmen. Was Kirchen stört, ist das bisher negative Image der Ein-Euro-Jobs. Außerdem befürchtet er, dass Erwerbslose gehänselt werden, die Arbeitsgelegenheiten annehmen. Ihm gefällt an seiner neuen Aufgabe, dass er Umgang mit Menschen hat, selbstständig arbeitet und kein Befehlsempfänger mehr ist. "Ich bin beruflich wieder integriert und habe das Gefühl, gebraucht zu werden", sagt er: "Außerdem habe ich einen geregelten Tagesablauf."Wichtig, wieder im Job zu sein

Adelheid Riedel-Löwe, Pädagogische Leiterin von Alibi und die Diplom-Pädagogin Ruth Mareien de Bueno sehen in den Ein-Euro-Jobs eine Chance für die Arbeitslosen. "Die Leute sind sehr motiviert", berichtet Mareien de Bueno, die die Arbeitsgelegenheiten organisiert. Es sei den Teilnehmern wichtig, wieder im Job zu sein und diese Zeit im Lebenslauf darstellen zu können. Riedel-Löwe betont: "Wir wollen nicht, dass die Leute Platzhalter sind. Wir wollen ganz gezielt vermitteln." Gerade im Pflegebereich sehen die beiden Frauen "Arbeit ohne Ende". Es gebe Tausende von alten Leuten, die in ihren Wohnungen dahinvegetierten, um die sich neben den Pflegekräften auch Ein-Euro-Jobber kümmern könnten. Die Reform Hartz IV zwingt nicht nur Arbeitslose, sondern auch Alibi zum Umdenken. "Der Wettbewerb unter den Trägern ist unheimlich hart geworden", sagt Riedel-Löwe. Bisher habe das Arbeitsamt Trier Trainings für Arbeitslose vergeben, nun muss sich Alibi dem bundesweiten Vergleich stellen. "Wir waren teurer als andere Träger", erklärt sie: Wir hoffen aber, dass im nächsten Jahr die Qualität ausschlaggebend sein wird."

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