Nonne und doppelter Boden

BITBURG. Auch Werkstatt und Verwaltung des ersten Autohändlers in der Region wurden ein Opfer der Bombenangriffe vom Dezember 1944. Zeitzeuge Karl Conrady erinnert sich an turbulente Zeiten in der Folge.

Das Motorenöl wurde heimlich per Lkw mit doppeltem Boden in Köln-Nippes gegen Schnaps und Speck eingetauscht. Die für eine Autowerkstatt notwendigen Werkzeuge kamen auf ähnlich spannenden Kanälen aus Solingen und Remscheid. "So sahen für uns die ersten Jahre nach dem Krieg aus", erinnert sich der damalige Teenager Karl Conrady an die Zeiten des Wiederaufbaus des Familienbetriebs. "Wir hatten Glück und konnten oft die Nonnen vom Bitburger Krankenhaus ein Stück weit mitnehmen, so dass wir nicht so stark kontrolliert wurden an der Grenze in Blankenheim zwischen dem französisch und dem britisch besetzten Sektor." "Es war für mich damals einerseits spannend und es machte Spaß, weil absehbar war, wir schaffen wieder etwas Neues. Aber zunächst mussten wir den Krieg seelisch und moralisch verarbeiten", schildert Conrady die Auswirkungen. Die Liebe zum Auto habe den Conradys schon immer im Blut gesteckt. Direkt nach dem ersten Weltkrieg kauften die Gebrüder Matthias, Johann und Peter Conrady, die eigentlich aus einem Gasthof im Karenweg stammten, die im Krieg eingesetzten Gebrauchtwagen, reparierten sie und verkauften sie weiter. 1925 schließlich schlossen Matthias und Johann einen Vertrag als Vertretung für Daimler-Benz. Peter spezialisierte sich mit eigener Firma auf die Marke Ford. "Konkurrenz gab es für beide nicht. Die Conradys hatten mit Daimler-Benz den ersten Autohandel in der Region, und je nachdem, mit wem die Bauern und Handwerker aus Bitburg, Prüm oder Daun mal ein Bierchen tranken, von dem wurde eben auch der LKW oder der Privatwagen gekauft." Einen Verdrängungsmarkt wie heute habe es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht gegeben, die Zeiten waren bis zum Krieg geprägt von Wachstum. Die Geschichte traf dann die Familie direkt. Johann Conrady wurde 1942 von den Nazis ins KZ nach Oranienburg bei Berlin geschickt, weil er offen gesagt hatte, dass der Krieg sowieso nicht zu gewinnen sei. Als Ende 1944 die Bomben fielen und auch die nun in der oberen Saarstraße errichtete Daimler-Benz-Vertretung samt Werkstatt und Büros zerstörten, hatte der Betrieb zwölf Mitarbeiter. Man handelte mit Gebrauchten und Motorrädern, mit neuen Limousinen und Nutzfahrzeugen. All das lag nun in Schutt und Asche. Mühsam begann der Wiederaufbau der Gebäude mit dem wenigen zur Verfügung stehenden Baumaterial. "Durch die Trümmer der Innenstadt ging ich mit Wasser und Briketts, um das gegen Brot einzutauschen", blickt Karl Conrady zurück. Sein Ziehvater Matthias Conrady baute inzwischen die Kundenbeziehungen vor allem durch persönliche Gespräche wieder auf. "Das ging alles mit Mund-zu-Mund-Propaganda". Wurden 1946 nur zwei Lkw verkauft, waren es 1948 schon wieder 22 Fahrzeuge. Die größte Werbung für die wichtigste neu hinzukommende Klientel - die amerikanischen Soldaten - machte eine Vorführung des 300 SL mit Flügeltüren. Kein Geringerer als der berühmte Rennfahrer Rudolf Caracciola präsentierte den schnellen Luxuswagen auf der neu errichteten Air-Base. [ Die vom Trierischen Volksfreund präsentierte Ausstellung "Bitburg im Zeitraffer" ist noch bis zum 28. Februar in Schaufenstern der Geschäfte in der Bitburger Innenstadt zu sehen.

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