"…wir bringen Dich um"

TRIER. (red) Vor dem Trierer Landgericht hat am Mittwoch der Prozess gegen zwei 20 und 32 Jahre alte Männer aus Gerolstein begonnen. Sie sollen Anfang August einen Taxifahrer geschlagen, beraubt und gekidnappt haben. Hintergrund: die Drogensucht der beiden Russlanddeutschen.

Die Gangster verabschieden sich von ihrem Opfer auf ungewöhnliche Weise: Erst schlagen sie Martin Müller (Name geändert) mit der Faust ein paar Mal ins Gesicht, dann reichen sie ihm freundlich die Hand: "Wenn Du uns verrätst, bringen wir Dich um. Und wenn Dich jemand fragt, sag', zwei Schwarze hätten Dich überfallen." Martin Müller (27) tut zunächst, wie ihm geheißen. Als er kurz nach dem im wahrsten Sinne des Wortes schmerzlichen Abschied an einer niederländischen Tankstelle von zwei Polizisten angesprochen wird, erzählt er zunächst die erfundene Geschichte von dem Überfall durch "zwei Neger". Erst ein paar Stunden später, als er sich in Sicherheit vor seinen Peinigern weiß und er von deutschen Beamten noch einmal vernommen wird, bricht die ganze Wahrheit aus ihm heraus. Nicht Schwarze haben den selbstständigen Taxiunternehmer aus der Eifel an jenem heißen Augustabend brutal überfallen, sondern zwei Russlanddeutsche. Sie waren in Gerolstein in Martins Taxi gestiegen, wollten ins wenige Kilometer entfernte Lissendorf gefahren werden. Statt den fälligen Fahrpreis (19,55 Euro) zu zahlen, schlug das Duo den 27-Jährigen ins Gesicht. Aleksandr V., der Jüngere der beiden, habe dann erst das Taxi-Telefon aus der Halterung gerissen und dann ihn, den Fahrer, aus dem Auto gezerrt, erzählt der 27-Jährige vor Gericht. "Dann hat er den Kofferraum meines Wagens aufgemacht und mich da reingesteckt." Bares für den nächsten Schuss

Kurz darauf geht die "Horrorfahrt" (Martin Müller) los. Wohin, weiß der im Kofferraum kauernde und um sein Leben zitternde Taxifahrer nicht. Er weiß nicht, dass die beiden jungen Männer pleite sind, Bares brauchen für den nächsten Schuss und nun mit ihm unterwegs sind in die Niederlande, um das von Martin geklaute Geld und seinen Schmuck bei einem Dealer einzutauschen gegen ein paar Gramm Heroin und Kokain. Weil der Fahrer Alexander O. (32) auf dem Weg nach Maastricht Probleme hat, mit der Automatik des Taxis klar zu kommen, darf sich Martin irgendwann auf die Rückbank setzen. Die Aggressivität der beiden Gangster scheint sich plötzlich, in Luft aufgelöst zu haben. "Wir haben uns unterhalten", erzählt der 27-Jährige der erstaunten Kammer von Richter Rolf Gabelmann, "und Zigaretten geraucht." Auf einem niederländischen Parkplatz stoppen die Kidnapper den Wagen. Mit einem Dealer suchen sie das Weite, lassen Martin Müller mit seinem Taxi und 30 Euro ("fürs Tanken") zurück. Für den Rest des geklauten Geldes kauft das Duo Stoff - zehn Gramm Heroin und fünf Gramm Kokain. Sechs Tage später werden Aleksandr V. und Alexander O. in Gerolstein festgenommen. Den entscheidenden Tipp gibt eine Zeugin, die im Trierischen Volksfreund einen Bericht über den Überfall gelesen hat. Seitdem sitzen die beiden in Untersuchungshaft. Die Drogenkarriere des 20-jährigen Aleksandr V. ähnelt der vieler anderer Russlanddeutscher, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind: vor wenigen Jahren nach Deutschland übergesiedelt, Sprachkurs, Berufsvorbereitungsjahr, keine Lehrstelle. Aleksandr ertränkt den Frust erst mit Bier und Wodka, kurz darauf kommen Tabletten, Heroin und Kokain dazu. Ähnlich Alexanders Lebensweg, auch wenn dieser immer mal wieder Arbeit findet. Mittlerweile sind die beiden geständigen Männer "clean". Fünf Tage hat's - mit medikamentöser Unterstützung - bei dem Jüngeren gedauert, einen ganzen Monat bei dem Älteren. Der Prozess wird am 9. März fortgesetzt. Wahrscheinlich fällt an diesem Tag auch das Urteil.

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