Allein unter Männern

OBERBETTINGEN. Die 16-jährige Johanna Schwan hat am 2. August eine Ausbildung in einem eher von Männern dominierten Beruf begonnen: Sie erlernt im Meisterbetrieb von Hubert Fasen den Orgelbau.

Die Tür zur Werkstatt steht offen, und gleich vorne im Eingangsbereich ist Johanna Schwan in ihre Arbeit vertieft. Sie leimt die Bohrungen einer Windlade. Wenn sie das abends ihren Freundinnen erzählt, werden sie wieder fragen: "Was ist denn eine Windlade?" So war das immer bei den bisherigen Treffen nach der Arbeit. Johanna hatte zum Beispiel davon berichtet, dass sie schon mit im "Außendienst" war - in der Kyllburger Stiftskirche, wo derzeit eine Chororgel aufgebaut wird -, und dass sie geholfen hat, eine Traktur einzusetzen. "Was ist das denn?", fragten die Freundinnen. "Das ist die Verbindung von der Tastatur zur Windlade", hat Johanna geduldig erklärt. "Und durch eine Windlade geht die Luft zum Pfeifen durch." Die 16-Jährige aus Birgel lässt sich nicht beirren. Nicht von Klassenkameraden, die sie auslachten, als sie von ihrem Berufswunsch erzählte; auch nicht von den Praktikumserfahrungen in einem Kindergarten; und ebenso nicht von der Tatsache, dass bei Fasen nur Männer in der Werkstatt arbeiten. "Die sind alle nett und erklären mir alles gut", sagt Johanna Schwan.Auch zu Hause am Werkeln

Johanna hat ihren Realschulabschluss an der Regionalen Schule in Jünkerath gemacht und zwei Praktika in dem Oberbettinger Orgelbaubetrieb gemacht. Ihr Vater ist Schreiner, und seit die Familie vor zehn Jahren ein 200 Jahre altes Haus kaufte, packt das Mädchen mit an, schleift Fensterrahmen ab und hilft, Holzfußböden zu verlegen. Schreinerin zu werden - das war Johanna zu "normal", immerhin interessiert sie sich ja auch für Musik und Technik. "Das sind wichtige Voraussetzungen für den Beruf", erklärt Hubert Fasen. Mit Mädchen als Auszubildenden hat er bereits Erfahrung: Als er vor zehn Jahren den Betrieb gründete, war sein erster Lehrling, Elke Thome, ebenfalls ein Mädchen. Mit Johanna Schwan hat er aber zum ersten Mal mit einem der Kandidaten, die bei ihm ein von der Schule verordnetes Betriebspraktikum gemacht hatten, einen Ausbildungsvertrag geschlossen. Die Ausbildung zum Orgelbauer dauert dreieinhalb Jahre. Der Berufsschulunterricht findet als Blockunterricht an der einzigen Fachschule für Orgelbau im baden-württembergischen Ludwigsburg statt. Nach dem dritten Kurs ist dann Zwischenprüfung, und auch die Gesellenprüfung findet im baden-württembergischen Ludwigsburg statt. Im ersten Lehrjahr erhalten die Lehrlinge eine Ausbildungsvergütung von rund 300 Euro. Unter den gleichen Bedingungen hat gleichzeitig mit Johanna Schwan auch der 18-jährige Thomas Hildner aus Nörtershausen im Hunsrück bei Hubert Fasen die Ausbildung begonnen. Er hat ebenfalls die Mittlere Reife und kam über das Orgelspielen zu dem Berufswunsch. Thomas Hildner ist seit einem Jahr Organist in seiner Heimatpfarrei und wird an den Wochenenden von seinem Dekanatskantor zum Kirchenmusiker ausgebildet. Auch Thomas Hildner hat in Oberbettingen ein Praktikum gemacht, außerdem kennt er noch einen weiteren Orgelbaubetrieb. Und wie gefällt es den beiden? "Gut", sagt Johanna kurz und knapp, und Thomas nickt zustimmend. "Ich meine, dass die beiden gut in unseren familiären Betrieb passen", ist der ganz positive Eindruck des Orgelbaumeisters Hubert Fasen.

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