Als in Walsdorf die Knochen flogen

WALSDORF. Die Zahl zwei spielt für Walsdorf eine große Rolle: zwei Meinungen über die Historie, zweigeteilter Ort bis 1796, Doppelgemeinde mit Zilsdorf seit 1974, zwei Berge prägen das Dorf und lange Zeit die Art der Arbeitsplätze, zwei Kirchen und zwei Friedhöfe – teilweise mit gruseligen Zusammenhängen.

Einig sind sich die Historiker nur darüber, dass der Ursprung Walsdorfs eine fränkische Siedlung unterhalb des Goßberges ist. Dann geht es aber schon in unterschiedliche Richtungen. Chronist Lorenz van Nerven sagt: "Aufzeichnungen aus dem Jahr 806 beziehen einige Forscher auf Walsdorf, andere auf Wallersheim. In gesicherten Quellen wurde Walsdorf erst 1136 erwähnt." Ob 806 oder 1136, das war den Einwohnern im 15. Jahrhundert egal. Sie mussten sich entscheiden, ob sie im "Trierer" oder "Kerpener" Teil von Walsdorf leben wollten. "Bis die Franzosen 1796 kamen, war das Dorf in Anlehnung ans Adelsgeschlecht der Kerpen-Arenberger und den Kurfürsten von Trier zweigeteilt", erklärt van Nerven. Der "Kerpener" Teil war kleiner. 1563 gab es im "Trierer" Teil bereits 18 Häuser. 1741 waren es im "Kerpener" Teil erst sieben Häuser und im "Trierer" schon 40. Ort peilt die 970-Einwohner-Marke an

Die Zusammenlegung durch die Franzosen toppte die Kommunalreform 1974, als Zilsdorf eingemeindet wurde. Das Nachbardorf bringt heute einen Zuwachs von 183 Einwohnern in die Statistik. "Und so peilen wir mit insgesamt 970 Einwohnern stark die 1000er-Hürde an", meint Ortsbürgermeister Horst Kolitsch. Er betreibt heute das ehemalige Sägewerk im Ortskern, dessen Ursprünge auf 1926 zurückgehen. Der 38 Meter hohe und 222 Tonnen schwere Kamin überragt seit 65 Jahren alle Gebäude des Ortes und gehört zum Dorfbild. Ebenso wie der Goß- und Arnulphusberg. Am Goßberg wird seit 1910 bis heute Lavasand abgebaut. Als "Relikt von vor dem Zweiten Weltkrieg", bezeichnet Chronist van Nerven die Seilbahn. Über eine Entfernung von 700 Metern wurde damals vom Goßberg der Sand zur Umladestation an den Bahnhof gebracht. "Da gab es dann auch noch ein Teerwerk, und es wurden auch Steine gebrannt. Die waren aber von schlechter Qualität", erzählt der Chronist. Mit der Lavagrube vom Goßberg ist auch eine legendäre Persönlichkeit von Walsdorf fest verknüpft: Erwin Schütz. Schütz betrieb den Lava-Abbau (auch im benachbarten Hillesheim und Kerpen). Sein Unternehmen war mit mehr als 40 Arbeitsplätzen der größte Arbeitgeber im Dorf. Außerdem gehörte Schütz einer Kneipe, und er war Jagdpächter. Zu den Hochzeiten des Ortes gab es in Walsdorf vier Gaststätten und sechs Lebensmittel-Läden. Das Gasthaus "Zur Post", genannt "Bei Schull" mit Poststelle von 1904 bis 1972, existiert bereits seit mehr 150 Jahren. Aber auch der Arnulphusberg spielt in der Geschichte Walsdorfs eine wichtige Rolle. Weniger als Arbeitsstätte, weil nur in der Zeit von 1921 für 30 Jahre und in den 80er Jahren für fünf Jahre lang dort Basalt abgebaut wurde, sondern vielmehr als Standort der ersten Kirche und des ersten Friedhofes. 1824 wurde die baufällige und mehr als 600 Jahre alte Kirche geschlossen. 1828 wurde mit dem Bau der neuen Kirche in der Ortsmitte begonnen. Noch 42 Jahre später, bis 1870, war der Friedhof der Walsdorfer auf dem Arnulphusberg. Als der Basaltabbau begann, existierten noch einige Gräber. Der 55-jährige Chronist erzählt von Augenzeugenberichten: "Ein Arbeiter sagte, dass ihm bei Sprengungen die Knochen um die Ohren geflogen sind." 1928 wurden die Gebeine auf den neuen Friedhof in zwei Sammelsärgen umgebettet. Das alte Friedhofskreuz und einige Steinkreuze vom Arnulphusberg rahmen die Gedenkstelle ein. Trotz Lava- und Basaltabbau war der Ort landwirtschaftlich geprägt: Bauern, Metzger, Schmiede und Stellmacher. Auffällig: Mit fünf Viehhändlern war Walsdorf überdurchschnittlich stark auf dem Viehmarkt vertreten. Ob die Nähe zu Hillesheim eine Rolle spielt, ist nicht auszumachen. Heute sind die meisten Arbeitnehmer Pendler. 1974 wurden der Bahnhof und die Schule geschlossen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort