Aufgabe ohne Feierabend

GEROLSTEIN. Ohne die Hilfe von Familienangehörigen klappt das Pflegesystem nicht. Deshalb bot die Caritas-Sozialstation St. Martin im Rahmen des Festjahres zum 25-jährigen Bestehen eine Informationsveranstaltung an. Fazit: Nur gemeinsam ist der optimale Zustand für den Pflegenden zu erreichen.

 Seit vier Jahren pflegt Gabriele Christen ihre demenzkranke Mutter Änni Pauls (87 Jahre alt). Pflegende Angehörige sind der wichtigste Baustein im Netzwerk zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Foto: Gabi Vogelsberg

Seit vier Jahren pflegt Gabriele Christen ihre demenzkranke Mutter Änni Pauls (87 Jahre alt). Pflegende Angehörige sind der wichtigste Baustein im Netzwerk zwischen ambulanter und stationärer Pflege. Foto: Gabi Vogelsberg

"Eine Pflegesituation ist eine Krisensituation in der Familie, auch wenn sie noch so stabil ist", sagt Referentin Monika Lutz. Die Diplom-Pädagogin und Psychotherapeutin hat viel Erfahrung und weiß um die Grenzen der Belastbarkeit in den Familien. Demenzkranke würden oft fünf bis sieben Jahre zu Hause gepflegt bis es zum stationären Aufenthalt oder dem Einschalten von ambulanten Pflegediensten kommt. Sie fordert: "Die Angehörigen kennen den Kranken oft am besten und sind somit Fachleute. Sie wissen oft mehr als der Kranke selbst, das gilt auch bei Krebspatienten. Deshalb muss der Arzt einen Weg zum Angehörigen suchen." Dilemma nur durch Hilfe von Außen zu lösen

Dr. Manfred Rittich vom Gerolsteiner Krankenhaus verspricht: "Ich schaue demnächst, wer da noch so am Bett steht." Kritisch ist allerdings die Situation, wie viel Wahrheit über den tatsächlichen Zustand dem Kranken zugemutet werden kann. Rittich: "Ich bin an die Schweigepflicht gegenüber Angehörigen gebunden und warne davor, vor dem letzten Weg nicht die Wahrheit zu sagen." Lutz meint: "Es ist für die Angehörigen eine enorme Doppelbelastung. Alle meinen es gut und wollen Halt geben." Alle Familienmitglieder seien betroffen, weil sie "zuschauen müssen, wie der Verfall vorangeht". Als zusätzlich zermürbend erleben Angehörige den so genannten "Drehtüreffekt", wo auf monatelange Pflege zu Hause in immer kürzeren Abständen Krankheitsschübe - oft mit stationärer Aufnahme - folgen. Lutz spricht vom "Burn-out" (Ausgebranntsein durch absolute Überforderung) der pflegenden Angehörigen. Anfangs sei die Unterstützung aus der restlichen Familie noch groß, später würde sie abnehmen, und der Kranke würde sich meist nur noch von einem ausgewählten Familienmitglied pflegen lassen. "Das Dilemma ist nur durch mehr Hilfe von außen in den Griff zu kriegen. Deshalb ist das Netzwerk ehrenamtlicher, ambulanter und stationärer Pflege ja so wichtig", erklärt Lutz. Im Gerolsteiner Krankenhaus werden seit kurzem zehn Plätze für Kurzzeitpflege angeboten. Beispielsweise wenn Angehörige Urlaub machen wollen oder selbst krank werden. Gudrun Schend, im Krankenhaus zuständig für die "Pflegeüberleitung" und Beratung Angehöriger, sagt: "Wenn einem Kranken mindestens ein Jahr lang eine Pflegestufe zugewiesen wurde, kann auch die so genannte Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden." Irmgard Uhlendorf von der Beratungs- und Koordinierungsstelle verspricht: "Wir werden ganz schnell noch mal Gesprächskreise für pflegende Angehörige organisieren. Der Austausch ist wichtig." Über 1000 Kranke werden von den Caritasstationen in der Westeifel betreut. 1,8 Millionen pflegebedürftige Menschen sind es bundesweit. Der Kostendruck ist für viele enorm. Für eine "Atempause" sorgt der ehrenamtliche Helferkreis durch stundenweise Entlastung, und der ambulante Hospizdienst begleitet Schwerstkranke und ihre Angehörige zu Hause. Caritas Sozialstation St. Martin, Gerolstein, 06591/7001, Beratungs- und Koordinierungsstelle für die Verbandsgemeinden Gerolstein, Hillesheim und Obere Kyll 06591-7003, ambulanter Hospizdienst und ehrenamtlicher Helferkreis Rosi Harings 06593/809050.

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