Bahn lässt ihre Senioren im Stich

GEROLSTEIN/JÜNKERATH. (vog) Die Beratungsstellen des Bahnsozialwerkes (BSW) sind in der Eifel nur noch durch Ehrenamtliche aufrecht zu erhalten. Zu den Ortsstellen Jünkerath (550 Mitglieder) und Gerolstein (950 Mitglieder) gehören ausschließlich Senioren. Sie müssten ansonsten für die BSW-Hilfsangebote weite Wege bis Köln oder Saarbrücken in Kauf nehmen. Das ist jedoch für viele unmöglich.

 Hans Gith (links) von der Betreuungsstelle Jünkerath berät einen ehemaligen Bahnbediensteten.Foto: Gabi Vogelsberg

Hans Gith (links) von der Betreuungsstelle Jünkerath berät einen ehemaligen Bahnbediensteten.Foto: Gabi Vogelsberg

"Die Senioren wurden vor den Kopf gestoßen. Es ist unverständlich, wie sich die Bahn AG und ab 2005 auch das Amt für Bundeseisenbahnvermögen (BEV) aus der Verantwortung stehlen", schimpft Hans Gith, Betreuer der BSW-Beratungsstelle Jünkerath. Der 66-Jährige macht den ehrenamtlichen Dienst seit sieben Jahren an zwei Vormittagen je Woche und will, so lange er gesund bleibt, weitermachen. Albert Wehlen, Vorsitzender der Ortsgruppe Gerolstein, meint: "Ich habe mich mit der Regelung abgefunden, weiß aber, dass es so nicht in Ordnung ist. Mir tun die alten Leute leid, die auf das Hilfsangebot angewiesen sind." Franz-Otto Smits, Chef der Kölner BSW-Zentrale, weiß: "Gith ist der schärfste Gegner der Änderung, aber auch der erste gewesen, der ehrenamtlich eingesprungen ist." Smits sieht aber nicht nur bei der Bahn den Schwarzen Peter: "Auch Banken und Krankenversicherungen sind aus dem einheitlichen Finanzierungstopf ausgestiegen." Nach der Privatisierung der Bundesbahn übernahm die Stiftung BSW die Betreuungsstellen. Von Anfang 1996 bis Ende 2001 wurden sie von dem Bahn AG-Banken-Versicherungen-Konsortium finanziert. Dann sprang die BEV-Behörde ein. "Bundesweit werden 6,14 Millionen Euro gebraucht, das kann das BSW mit den Stiftungsgeldern nicht bezahlen", sagt Smits. Prognosen, wie es nach dem Ausstieg der BEV-Behörde Ende 2004 weitergehen wird, wagt der Kölner BSW-Chef nicht. Solange wie möglich wollen die engagierten Ehrenamtlichen für die 1500 BSW-Angehörigen in der Eifel weitermachen, erklären sie unisono. Durchschnittlich 30 Senioren berät Gith jede Woche in Jünkerath. Einer von ihnen ist Rudi Schmitt aus Alendorf. Der 73-Jährige sagt: "Die Geschäftsstelle in Jünkerath ist absolut wichtig. Ich könnte nicht für meine Angelegenheiten nach Köln fahren, weil ich meine kranke Frau nicht so lange alleine zu Hause lassen kann." Gith hilft Schmitt bei den Anträgen zur Kur für dessen Ehefrau, die seit 31 Jahren unter Multipler Sklerose leidet. Auch beim Antrag zu einem Erholungsaufenthalt in einem BSW-Hotel ist Gith der richtige Ansprechpartner. Johann Lucas kommt wegen einem anderen Problem zum BSW-Schalter. Der 68-Jährige hat zum Jahresbeginn die neue Freifahrkarte nicht erhalten. Ein Telefonat und Gith hat für den Rentner aus Jünkerath alles geregelt.Ein Griff ins Regal, und schon naht Hilfe

Renate Feininger wartet schon hinter Lucas. Sie ist für ihren Onkel Josef Lenzen unterwegs. Der 80-Jährige hat den zweiten Schlaganfall erlitten, und seine Ehefrau braucht Formulare für die Vollmachten zur Kranken- und Pflegeversicherung. Ein Griff ins Regal, und schon sind die Papiere parat. Auch bei Sterbefällen steht Gith mit Rat und Tat zur Seite. Oder bei Bankangelegenheiten. Gith weiß: "Alte Leute haben oft 10 000 Euro oder mehr auf dem Giro- statt auf dem Sparkonto." Der Gerolsteiner BSW-Vorsitzende Wehlen zeigt den Unterschied zwischen Betreuungs- und Beratungsstelle auf. Er erklärt: "Wir dürfen beispielsweise bei Rentenanträgen nur beim Ausfüllen helfen, und dann müssen sie bei der Verbandsgemeinde abgegeben werden. Die Betreuungsstellen in Köln oder Saarbrücken können sie annehmen und abstempeln." Die BSW-Beratungsstellen sind nur für Mitglieder offen. Der monatliche Beitrag beträgt 2,50 Euro, für Hinterbliebene zwei Euro. Öffnungszeiten in Jünkerath: Dienstag und Donnerstag von 9 Uhr bis 12 Uhr, in Gerolstein: Mittwoch von 9.30 Uhr bis 12 Uhr.

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