Behörde blockt Behinderten ab

NEROTH. Der Bericht über die Aberkennung der Pflegeleistung für den demenz- und diabeteskranken Herbert Bochen aus Neroth, der nach zwei Beinamputationen zudem im Rollstuhl sitzt, hat Wellen geschlagen: Die Krankenkasse zeigt sich kooperativ, der Medizinische Dienst blockt aber weiterhin ab.

"Das ist ein starkes Stück", schimpft eine Frau aus der Verbandsgemeinde Kyllburg. Sie kommt als medizinische Fußpflegerin in viele Häuser und kennt viele ältere Menschen, die um die Anerkennung der Pflegebedürftigkeit kämpfen. Wie auch Herbert Bochen aus Neroth, über dessen Fall der TV berichtet hatte. "Sogar das Fernsehen kommt jetzt bei uns vorbei - am Freitag. Auch die sehen das als krasses Beispiel", berichtet Manfred Nüsgen, der betreuende Nachbar.Hintergrund: Der 78-jährige Bochen sitzt seit der Amputation beider Beine im Rollstuhl. Weil er in einer Souterrainwohnung lebt, kommt er nicht alleine auf die Straße und somit auch nicht in den Ort. Außerdem ist er demenz- und diabeteskrank, extrem schwerhörig und zittert stark mit der linken Hand. Einkaufen, kochen, waschen, putzen - einfach unmöglich.Dies alles bestätigt sein Hausarzt, aber der Gutachter des Medizinischen Dienstes aus Wittlich bescheinigt dem Rentner "null Minuten Pflegeaufwand". Daran orientierte sich die Krankenkasse, es ist die AOK-Rheinland in Düsseldorf, und verweigerte die Fortsetzung der Zahlung des niedrigsten Pflegesatzes von 210 Euro im Monat. Seit Juni bekommt Bochen keinen Cent mehr.Weil Bochen nur sehr krakelig schreiben kann, und ihm seine Demenz zu schaffen macht, erledigt Nüsgen den Papierkram. Er schrieb Anfang August den dritten Widerspruch an die Krankenkasse und setzte ihr eine Frist bis zum 15. August. Bisher ohne Reaktion - weder vom Medizinischen Dienst noch von der Krankenkasse.Dr. Ellen von Itter, Pressesprecherin der AOK-Rheinland, sagt: "Bei uns gilt dieses Schreiben als der erste Widerspruch, weil er begründet wurde. Die beiden Schreiben vorher können, weil ohne Begründung, nicht als Widerspruch gelten."Die zuständige Fachabteilung habe sofort gehandelt. Die AOK-Sprecherin zeigt auf: "Wir haben am 7. August den Medizinischen Dienst in Wittlich aufgefordert, den Widerspruchsfall eiligst zu bearbeiten." Eine Woche später habe der AOK-Sachbearbeiter in Wittlich angerufen. Von Itter berichtet: "Sie sollten endlich einen Termin machen. Wir haben einen erneuten Hausbesuch gefordert und keine Entscheidung nach Aktenlage."Kassensprecherin: Haben keinen Einfluss

Sie redet mit Nachdruck, aber der Medizinische Dienst in Wittlich lässt sich nicht beeindrucken. Er verweist an die Bezirksstelle in Trier, mit der man "in der vergangenen Woche die Vorgehensweise besprochen" habe.Dr. Eva-Maria Schwertfeger vom Medizinischen Dienst in Trier reagiert auf die TV -Anfrage brüsk: "Ich kann keinen Termin nennen und Ihnen schon gar nicht." Und sie schiebt hinterher: "Wir bearbeiten den Fall wie jeden anderen im Widerspruchsverfahren auch."Die Sprecherin der Krankenkasse meint: "Wir haben an diesem Verfahrenspunkt keinen Einfluss auf den Medizinischen Dienst." Allerdings will die Kasse ihren Kunden Bochen über den aktuellen Sachstand informieren. Der pflegebedürftige Rentner hat sich mittlerweile Rat bei einem Rechtsanwalt geholt und will, wenn nötig, die Anerkennung der Pflegeversicherung rechtlich erkämpfen. Die Unterstützung seines Hausarztes ist ihm gewiss.

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