"Bequeme Kinder sind bequeme Opfer"

GEROLSTEIN. Für die Aktionswoche zum Weltkindertag hat der Kinderschutzdienst der Kreise Daun und Bitburg-Prüm zwei renommierte Referentinnen zum Thema "Sexueller Missbrauch an Kindern" verpflichtet.

Diplom-Pädagogin Gisela Braun ist Fachreferentin bei der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz in Köln sowie Autorin von Fachpublikationen und Kinderbüchern. Außerdem hat die 46-Jährige einen Elternratgeber zu diesem Thema geschrieben. Sie hält Donnerstag, 20 Uhr, im Rondell einen Vortrag. Im zweiten Teil des Abends wird sie sich den Fragen aus dem Publikum stellen. Frau Braun, wie erkennt man, dass das eigene Kind sexuell missbraucht wird oder wurde? Braun: Es gibt keine hundertprozentig eindeutigen Signale. Einigen Kindern wird man nie etwas anmerken, aber viele ändern ihr Verhalten. Aber Vorsicht, da kann sexueller Missbrauch eine von vielen Ursachen sein. Wie sollen Eltern reagieren, wenn "es" passiert ist? Braun: Wichtig ist, das Kind ernst zu nehmen. Es zu loben, weil es gewagt hat, darüber zu reden. Nicht schimpfen, weil es sonst Schuldgefühle wegen des Kummers der Eltern bekommt. Ihm sagen, dass es keine Schuld an dem Missbrauch hat. Trösten und ruhig bleiben. Falls sich die Eltern nicht sicher sind, ob tatsächlich sexueller Missbrauch vorliegt, sollten sie sich, bevor sie rechtliche Schritte wie Anzeigen einleiten, fachlichen Rat holen. Wie sollen sich Verwandte, Nachbarn und Freunde verhalten? Braun: Das Kind muss erfahren, dass seine Welt noch heil ist. Kinder wollen Normalität, also weder mit Samthandschuhen anfassen, noch mit Skepsis begegnen. Was ist, wenn Eltern sich mit Vorwürfen, wie Versagen in der Erziehung, plagen? Braun: So ein Quatsch. Niemand ist schuld an der Tat, außer der Täter. Niemand ist 100 Prozent sicher. Allerdings sind selbstbewusste und aufgeklärte Kinder und Kinder, die Respekt vor ihrem Körper erlebt haben, geschütztere Kinder. Warum hat sich der Täter gerade dieses Kind ausgesucht? Braun: Es kann sein, dass das Kind ihm gerade in den Kram passte, ohne äußere Gründe. Täter suchen sich oft brave, leise, angepasste und folgsame Kinder aus. Bequeme Kinder sind bequeme Opfer. Wie können Eltern ihr Kind schützen? Braun: Sehr wichtig ist selbstbewusste Persönlichkeitsstärkung und eine altersgerechte Sexualerziehung. Respekt vor körperlicher Selbstbestimmung, also keine Zärtlichkeiten, wenn das Kind sie nicht will. Viele Gespräche über Erlebnisse, auch die kleinsten im Alltag, führen. Versuchen, eigene Manipulationen, wie "Ach tu mir doch den Gefallen", zu vermeiden. Leiden missbrauchte Kinder ihr Leben lang unter den Taten? Braun: Wichtig ist, dass das betroffene Kind so viel Hilfe und Heilung erfährt wie möglich. Dann kann das Erlebte integriert werden. Sie haben meist sehr viel Kraft und Überlebensenergie. Wenn alle Menschen, die als Kind missbraucht worden sind, ihr Leben lang darunter leiden würden, hätten wir viel mehr gestörte Menschen auf der Welt. Immerhin wird laut Statistik jedes dritte Mädchen und jeder zwölfte Junge als Kind missbraucht. Die Fragen stellte unsere Mitarbeiterin Gabi Vogelsberg

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