Das Pferd als Arzthelfer

HOHENFELS-ESSINGEN/KELBERG. Der Kelberger Physiotherapeut Jürgen Schäfer und seine Mitarbeiterin Tamara Fuhr haben in Zusammenarbeit mit dem "Essinger Hof" ihr Konzept "Hippotherapie" vorgestellt. Sie gingen der Frage nach: "Spaßfaktor oder ernst zu nehmende Therapie?"

"Ich habe Ben viel zu verdanken", sagt Sabine Müller. Ben heißt das Pferd, auf dessen Rücken die 32-Jährige aus Kelberg-Köttelbach soeben ein paar Runden in der Reithalle des Essinger Hofs zurückgelegt hat. Für den uneingeweihten Betrachter eine ziemlich unspektakuläre Situation, für die Frauen und Männer, die an diesem Tag den Vorgang von der Tribüne aus beobachten, dagegen eine eindrucksvolle Demonstration. Sie sind Teilnehmer eines Seminars über Hippotherapie (siehe Hintergrund), von Jürgen Schäfer, das am Vormittag mit Fachvorträgen begonnen hatte. "Ernste Therapie, die Spaß machen soll"

Die Physio- und Hippotherapeutin Tamara Fuhr stellte neurophysiologische Behandlungstechniken mit und auf dem Pferd vor. Der stellvertretende ärztliche Direktor der Physio-Akademie Wittlich, Rudi Thesen, referierte über Zusammenhänge von Neurologie und Hippotherapie. Thema des Dauner Arztes Carsten Schnieder waren Indikationen und Kontraindikationen des therapeutischen Reitens. Jürgen Schäfer stellte die Hippotherapie als Lösungsansatz für veränderte Krankheitsbilder vor und erklärte sie zum "Paradebeispiel" in einer Zeit, in der die Gesundheitspolitik vom Patienten immer mehr Eigenverantwortung und Bereitschaft zur Prävention verlange. Sabine Müller erläuterte den Teilnehmern, was sie dem Therapiepferd Ben zu verdanken hat. Wie aus heiterem Himmel hatte sie vor vier Monaten Rückenschmerzen bekommen und kaum mehr gehen können. An Symptomen kamen Probleme in der Koordination und Taubheitsgefühle in den Beinen und Füßen hinzu. Nach einer Odyssee von Arzt zu Arzt schließlich die Diagnose: "Querschnittsmyelitis" (Entzündung des Rückenmarks). Im Zuge der Behandlung ging sie auch zur Krankengymnastik. Dort traf sie Tamara Fuhr, die nach ärztlicher Befürwortung und ausführlicher Anamnese eine Hippotherapie empfahl. "Für mich sind die Erfolge nach den bisher erst wenigen Therapieeinheiten ein kleines Wunder", sagt Sabine Müller. Eine Hippotherapie sollte nur von Fachkräften angewandt werden, sagte Jürgen Schäfer. "Diese Fachkräfte bilden ein Team", erklärte er und nannte den Physiotherapeuten mit Hippotherapie-Lizenz, das speziell ausgebildete Therapiepferd, den Pferdeführer und falls erforderlich weitere Helfer. "Hippotherapie ist nicht, wenn irgend ein Gaul von der Weide gezerrt und ein krankes Kind darauf gesetzt wird", sagte Schäfer. Das Pferd müsse psychisch und physisch kerngesund sein und aufs Wort gehorchen, ergänzte Tamara Fuhr, die über eine Reitausbildung verfügt. Zum provokanten Titel des Seminars, "Spaßfaktor oder ernst zu nehmende Therapie?", bemerkte Arzt Rudi Thesen: "Es handelt sich um eine außerordentlich ernst zu nehmende Therapie, die auch viel Spaß machen sollte." Es gebe eine Reihe von Beispielpatienten, die durch die Hippotherapie wieder Mut, Optimismus und Selbstbewusstsein gefunden hätten.

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