Den Gedemütigten Gesicht und Gestalt geben

GEROLSTEIN. Vorstellung, Lesung und Diskussion: Die Dokumentation "Gegen das Vergessen – Das Schicksal der Gerolsteiner Juden" ist erstellt und bildete den Mittelpunkt bei der vom "Forum Eine Welt e.V." initiierten Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht im November 1938.

Fast auf die Stunde genau vor 67 Jahren hätten SA-Männer aus Bitburg die Wohnung der jüdischen Familie Levy in der Sarresdorfer Straße in Gerolstein gestürmt, geplündert und den Familienvater in Schutzhaft genommen. Mit diesem zeitlichen Bezug eröffnete Karl-Heinz Böffgen, Hauptautor und Leiter des Arbeitskreises "Gegen das Vergessen", vor etwa 50 Teilnehmern die Vorstellung des Buches über die Gerolsteiner Juden.Bitterer Teil der Gerolsteiner Geschichte

In bewegten Worten erinnerte er an die entsetzliche Zeit. Er stellte klar, dass die jüdischen Bürger in Gerolstein zuvor angesehen und integriert gewesen seien und sie die Kleinstadt wegen der Eisenbahn als idealen Wohn- und Geschäftsstandort betrachtet hätten. "Die Juden haben in der Zeit der Verfolgung Hilfe und Unterstützung von Gerolsteinern bekommen. Aber wir dürfen nie vergessen, dass die Nazis auch hier Dulder und fanatische Helfer hatten", sagte Böffgen. Die Autoren des Buches hätten einen bitteren Teil der Gerolsteiner Geschichte aufgearbeitet. Durch Zeitzeugenberichte und die Porträts des Fotografen Fredy Lange sei es gelungen, den damaligen jüdischen Mitbürgern Gesicht und Gestalt zu geben. Böffgen ging auch auf die Recherchen für die Dokumentation ein. "Keineswegs einfach" sei es gewesen, resümierte er. Vieles sei verloren oder verbrannt worden, manche der Befragten seien sehr zurückhaltend gewesen oder hätten gefordert: "Macht doch endlich Schluss damit!" Mit dem Blick auf antisemitisches Potenzial in der heutigen Gesellschaft wolle er das Buch auch als Mahnung verstanden wissen. Böffgens Ausführungen bildeten den Mittelpunkt der Veranstaltung. Zunächst hatte die stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Forum Eine Welt", Christa Caroli, dem Arbeitskreis für seine intensive Beschäftigung mit dem dunklen Geschichtskapitel gedankt und mit dem Blick darauf an die Zuhörer appelliert, Zivilcourage zu zeigen und sich für die Menschenwürde einzusetzen. Deutliche Anzeichen für ein schlimmes Ende

Beigeordneter Josef Bach sprach in Vertretung von Bürgermeister Matthias Pauly und Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz. Er erinnerte an Flammen, Zerstörung, Hetze und Demütigung in der Nacht des 9. November 1938 als immer deutlicher werdende Anzeichen für ein schlimmes Ende. Er betonte, dass es wichtig und wertvoll sei, die Geschichte der Gerolsteiner Juden festzuhalten und damit das bisher einzige Zeugnis - den jüdischen Friedhof - in besonderer Weise zu ergänzen. Den nachdenklichen Charakter der Veranstaltung verstärkten die klug ausgewählten und ohne Dramatik vorgetragenen Leseproben von Brigitte Blinn und Julia Prokoph. Für eine frohe Stimmung aber sorgten mit hebräischen Liedern die Mitglieder von "Sameach" und "Zmeche". So nennen sich der Erwachsenen- und der Kinderchor der jüdischen Kultusgemeinde Trier unter der Leitung von Isak Solomon. Die Dokumentation "Gegen das Vergessen - Das Schicksal der Gerolsteiner Juden" liegt zurzeit als Rohfassung in Heftform vor und soll in den nächsten Wochen ergänzt und korrigiert werden. Klaus Heller, Vorsitzender des Forums Eine Welt, erklärte, dass die Herausgabe in Buchform für Anfang 2006 geplant sei - und zwar für den 27. Januar, dem Gedenktag an die Opfer der Konzentrationslager. Ein geeignetes Datum fürwahr. Kontakt: Forum Eine Welt e.V., Klaus Heller, Auf der Gass 17, 54552 Dreis-Brück, Telefon 06595/676, E-Mail: klaus.heller@t-online.de, Internet: www.forum1welt.de.

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