Der Flug wird zum Fluch

EIFEL. Die Zeit wurde ihr zum Verhängnis. Irmgard Schlösser ist die Mörderin von Paul-Arno Gruehn. Bei Angabe ihres Alibis hat sie einiges durcheinander geworfen. Was genau, lesen Sie heute im letzten Kapitel des von Ralf Kramp geschriebenen Krimi-Rätsels.

"Ich würde zur Polizei gehen. Dort würde ich mich vorstellen als Frank Sevenich, als den Mann, der vor vielen Jahren in einem Dorf zwischen Neuerburg und Daun einen Unfall verursacht und danach Fahrerflucht begangen hatte. Ich würde den wachhabenden Beamten erklären, dass Paul-Arno Gruehn mich seit geraumer Zeit erpresst, und dass ich am heutigen Morgen nach seinem Mörder am Tatort gewesen war. Bis dahin würde man mir mit Sicherheit anstandslos alles glauben, was ich erzählte. Dann aber würde ich ihnen von einer jungen Frau berichten, die mir am Mittag versucht hatte vorzugaukeln, sie habe sich zur Tatzeit im Landeanflug auf den Flughafen Frankfurt befunden. Es war ihr Fehler, dass sie dabei nicht den siebenstündigen Zeitunterschied zwischen Tokio und Deutschland beachtet hatte, denn wenn sie, wie sie es behauptet hatte, um achtzehn Uhr zum Abendessen in die Maschine gestiegen sei, dann wäre sie nach einem vierzehnstündigen Flug um ein Uhr nachts auf dem Flughafen gelandet, und nicht, wie sie behauptete, um Acht. Eine dumme Notlüge, um mir ein Alibi vorzugaukeln. Skeptisch geworden war ich auch durch ihre Bemerkung über die kleinen Knopfäuglein des weitsichtigen Gruehn, die normalerweise gut hinter den fingerdicken Brillengläsern verborgen waren. Ich hatte sie auch gesehen, diese kleinen Äuglein - der gebrochene Blick eines Toten in den ersten Strahlen der Morgensonne. Ihr Motiv war ein Mord, der in der Vergangenheit lag. Gruehn selber hatte seine obskure Sammlung aufgezählt: Vergewaltigung, Diebstahl, Brandstiftung, Fahrerflucht, Mord. Die Vergewaltigung hatte Schufti zugegeben, die Fahrerflucht ging auf mein Konto, und Frau Doktor machte keinen Hehl aus der Brandstiftung. Blieben nur noch Diebstahl und Mord. Was die Aneignung fremden Eigentums anging, war eindeutig Deuster mein Kandidat. Er war derjenige, dem eine Veruntreuung in der Bank das Genick brechen konnte. Hätte die forsche junge Frau Schlösser sich aber wegen ein paar geklauter Slips von Gruehn so unter Druck setzen lassen? Das konnte ich nicht glauben. Sie hatte etwas getan, was viel schwerer wog. Und heute Morgen, kurz bevor ich mit meinem monatlichen Geldbündel auf den Turm gestiegen war, da hatte sie es erneut getan. All das würde ihr sicher leicht nachzuweisen sein. Es war das reine Glück, dass ich mich frühzeitig über die anderen Kunden des Herrn Gruehn gekümmert hatte, denn nach dem Brand konnte sie eigentlich fast sicher gewesen sein, dass ihre Verbindung zu ihm für immer unerkannt bleiben würde. Zufrieden trank ich mein Bier aus und trat den Weg zur Polizei an."

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