Die Sonne als Waschfrau

OBERBETTINGEN. Früher wurde jede Hausfrau im Frühling unweigerlich vom Drang erfasst, Schränke und Kisten zu öffnen, die Vorhänge und Gardinen abzuhängen und alles zu reinigen oder zu waschen. Die Männer ergriffen die Flucht.

 Frühjahrsputz: Wäscherinnen bei der Arbeit. Foto: TV-Archiv/Gabi Vogelsberg

Frühjahrsputz: Wäscherinnen bei der Arbeit. Foto: TV-Archiv/Gabi Vogelsberg

Frühjahrsputz: Für die Hausfrau auf dem Lande hieß das große Wäsche. Den Winter über war nur das Notwendige gewaschen worden - was man auf dem Speicher oder im Schuppen trocknen konnte. Im Frühjahr kamen zur normalen Wäsche die vielen Ellen von neuem Leinen dazu, die fleißige Hände im Winter gewebt hatten. Dieses Leinen sollte weiß werden. Waschmaschine und Vollwaschmittel gab es nicht. Also legte man die Wäsche in einen großen Bottich mit einem Säckchen voll mit Buchenasche. Darüber schüttete man heißes Wasser. Die Brühe mit Asche wurde mehrfach erhitzt und über die Wäsche gegossen. Anschließend brachte man die Tücher, Hosen und Hemden zum Bach, wo sie ausgewaschen und geklopft wurden. Danach breiteten die Wäscherinnen alles auf der Bleichwiese aus, entweder auf der eigenen Wiese beim Haus oder auf der Gemeindewiese. Man findet das heute noch in Flurnamen wieder: Auf der Bleichwies, die Bleichstraße oder wie in Mainz "Die Große und die Kleine Bleiche". In den Amtsblättern der Königlich Preußischen Regierung zu Trier heißt es in den Jahren 1820 bis 1835 immer wieder: "Von der Tuchbleiche wurde nachfolgendes Leinentuch gestohlen". Dann erfolgte eine Auflistung der verschwundenen Wäschestücke in allen Einzelheiten. So heißt es im August 1834: "Es wurden gestohlen 49 Ellen hänfenes Tuch, an welchem zwei Stücke Werkentuch bei jedem Ende eingeschlagen sind, 30 Ellen desgleichen, in welchem sich zwei von Mäusen gefressene Löcher befinden". In einer anderen Mitteilung (1848) heißt es: "Zu Prüm von der Bleiche aus einem am Prümbache befindlichen, eingeschlossenen Pesche wurden in der Nacht vom 19. auf den 20. Mai entwendet…". Es folgt die genaue Beschreibung der verschwundenen guten Stücke. Zum Schluss heißt es: "In allen drei Stücken, welche gewebt sind, besteht die Kette (Warb) aus Baumwolle, der Einschlag aber aus Leinen." Die Aufzählung der gestohlenen Sachen schließt immer mit dem Text: "Indem ich diesen Diebstahl zur Öffentlichkeit bringe, ersuche ich diejenigen, welche Kenntniß davon haben oder noch erlangen dürften, durch etwaige Feilbietung des Tuchs oder auch auf andere Weise, ergebenst, mir oder der nächsten Polizeibehörde Anzeige davon zu machen. Der Instructionrichter." Maria Krämer aus Oberbettingen schreibt in ihrem Buch "Eifelwind": Im Frühjahr wurden die weiße Bettwäsche und die weißen Tischdecken sowie die Küchentücher und weißen Gerstenkornhandtücher nach dem Waschen auf die Peisch gebracht…..Nun musste die Sonne ihr Werk tun und die Wäsche schneeweiß bleichen. Auch alte, hartnäckige Flecken verschwanden bei dieser Prozedur." Auch heute noch sieht man mitunter bei Sonnenschein alte, fleckige, graue Wäschestücke auf der Bleichwiese. Besonders bei empfindlichen Stickereien und Häkelarbeiten, die vom langen Liegen stockig und fleckig sind, hat sich die gute alte Methode des Bleichens bestens bewährt. Zudem ist die Behandlung sehr materialschonend. Ganz empfindliche Handarbeiten werden nach altem Großmutter-Rezept in eine Dose mit Backpulver eingelegt, um sie auf sanfte Weise zu reinigen. Die Bleichwiese hieß Pesche, Peisch oder Pääsch. Im Büchlein "Moselfränkische Mundart" von Edmund Endres steht unter dem Stichwort Bleiche: "de Wääsch juf ob dr Bleich jebläächt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort