Die Spuren sind bis heute sichtbar

Vor 90 Jahren endete der Erste Weltkrieg, vor mehr als 60 Jahren der Zweite Weltkrieg. Zeitzeugen, die von beiden berichten können, gibt es nur noch wenige. Aber es finden sich noch täglich Spuren von Kämpfen - auch in Baumstämmen.

Daun/Mehren. Hunderte Bäume liegen geschichtet im Sägewerk der Firma Tombers in Mehren. Ein Buchenstamm wird aufs Förderband gehievt, langsam gleitet er in Richtung Sägemaschine. Dabei durchquert der Stamm eine Sicherheitsschleuse, ähnlich wie am Flughafen. Sie ist ein integriertes Metallsuchgerät.

Plötzlich heult eine Sirene auf, schlägt Alarm. Das Band stoppt. Automatisch sprüht eine Düse einen roten Farbstoff auf den entrindeten Stamm. Der Maschinenführer legt einen Hebel um, und das Förderband läuft rückwärts, bringt den Stamm wieder hinaus auf die Sortieranlage.

Jeden Tag heulen die Sirenen



Ein Holzfacharbeiter eilt hinzu. In seiner Hand ein elektronisches Metallsuchgerät. Behutsam tastet er über die markierte Stelle. Laut summt das Gerät und verrät, dass sich tief im Inneren des Buchenstammes Metall verbirgt. Der Arbeiter greift zur Motorsäge und schneidet den Stamm auf. Und da hat er auch bereits rasch den Urheber des Alarms gefunden: einen fingerlangen verrosteten Eisensplitter.

"Der stammt vermutlich aus dem Ersten Weltkrieg und ist ein Stück einer mächtigen Granate. Hier sieht man noch einen Teil des Gewindes", erklärt er und legt den scharf gezackten Splitter in eine Dose, die bereits randvoll mit solchen metallenen Fundstücken gefüllt ist: Splitter von Handgranaten, Bomben und Geschossen.

Und Ludwig Tombers, der mit seinem Bruder Richard Inhaber des Unternehmens ist, erklärt: "Es vergeht nahezu kein Tag, an dem unsere Metallsuchgeräte nicht anschlagen. Sehr viele Bäume, die wir aufkaufen, stammen aus französischen und deutschen Gegenden, in denen während der letzten beiden Kriege schlimme Kämpfe und Bombardements wüteten. So aus der Ebene der lothringischen Maas oder zum Beispiel von den grenznahen Schneifelhöhen und am ehemaligen Westwall." Dort seien nahezu alle Bestände mit einem Alter von mehr als 80 Jahren zumindest "splitterverdächtig". Äußerlich seien diese kaum zu erkennen, da die Splitter mittlerweile eingewachsen sind.

Tombers: "Zum Glück gibt es heute solche Metalldetektoren, denn wenn der Baumstamm mit diesen Stahlresten durch die Bandsäge läuft, zerreißt das Sägeblatt."

"Es kann auch gefährlich werden, wenn die Kettensäge auf Reste alter Munition trifft. Ich habe schon eine scharfe Granate aus einem Stamm geholt", berichtet der Arbeiter Erich Neis. "Da musste sogar der Kampfmittelräumdienst kommen, um sie zu entschärfen."

"Aber es sind nicht nur Überreste aus den Kriegen", erklärt der Firmenchef. "Auch ansonsten finden sich häufig metallische Gegenstände in den Bäumen. Abgesehen von den Schäden ist der Verlust an Holz auch beträchtlich. Denn meistens muss der Stamm zerschnitten werden, um den Fremdkörper zu finden.

Große blaue Flecken weist das Holz auf, ist dann kaum mehr für wertvolles Möbelholz zu gebrauchen, taugt dann nur mehr als billiges Industrie- oder Brennholz."

Und wie als Beweis seiner Erklärung, heult im Hintergrund die Alarmsirene des metallsuchenden Splittergerätes wieder auf, sprüht rot und lässt den Baumstamm rückwärts auf den Hof rollen zur weiteren und genaueren Untersuchung.

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