Diese kleinen, gefährlichen Glücksvorgaukler

DAUN. Tabletten, Alkohol, Cannabis, Kokain, Heroin sind bekannte Rauschmittel, die alle bei regelmäßigem Konsum süchtig machen können. Fachleute referierten darüber anlässlich einer Tagung in Daun.

"Schlucken Sie noch oder leben Sie schon?" Mit der Abwandlung eines Werbeslogans aus der Möbelbranche hatten die Dauner Suchtkliniken zu einer Fachtagung eingeladen. Mehr als 180 Psychologen, Ärzte und andere Fachleute waren gekommen. Ihr Ziel: das sich an der Gesellschaft orientierende Suchtverhalten unter die Lupe zu nehmen.Dem einen sein Schnaps ist dem anderen sein Qat

Jede Gesellschaft hat ihr eigenes Suchtverhalten, stellte Wolfgang Schmidbauer aus München gleich zu Beginn der Tagung fest. Während bei uns Alkohol der ständige Begleiter im Alltag ist, werden etwa im Jemen Qat-Blätter gekaut. "Wenn Sie mal im Jemen sind, gehen Sie vormittags einkaufen, denn ab mittags sind die Geschäftsleute nicht mehr auf Geschäfte aus. Sie haben dann die Backen voll Qat." So erläuterte Wolfgang Schmidbauer seine Erfahrungen mit dem afrikanischen Staat. Qat ist ein Strauch, dessen Blätter einen langsam ansteigenden Rausch auslösen. Man fühlt sich zunächst wacher, aufmerksamer, um dann langsam in einen Dämmerzustand zu verschwinden. Im Jemen und anderen arabischen Staaten eine Alltagsdroge, wie Alkohol bei uns. Schmidbauer, der als Psychotherapeut und Analytiker bereits rund 40 Sachbücher veröffentlicht hat, ging aber noch einen Schritt weiter. "Warum kein Heroin aus der Apotheke oder Kokain aus dem Coffee-Shop?", so lautete eine seiner provokanten Fragen. Wenn heute illegale Drogen aus dem Strafkatalog entfernt würden, hätte das eher positive Folgen: Die Drogen wären kontrolliert und damit reiner, die Abgabemenge wäre reguliert, und den Konsumenten könnte schneller geholfen werden, wenn sie Probleme haben. Sucht, so Schmidbauer, hänge in unserer "schnellsterbigen" Gesellschaft eng mit der Angst zu scheitern zusammen. Nur wer gelernt habe, diese Angst zu ertragen, könne auch handlungsfähig bleiben. Mit dem Thema "Alkohol in jugendlichen Lebenswelten" befasste sich Hans-Jürgen Hallmann von der Landeskoordinierungsstelle Suchtvorbeugung in Nordrhein-Westfalen. Zu der aktuellen Diskussion, Alkohol für Jugendliche unter 18 Jahren zu verbieten, verwies Hallmann auf den altgriechischen Philosophen Plato, der dies bereits vor gut 2300 Jahren gefordert habe. Alkohol gelte als Einstieg in die "Männergesellschaft". So hätten bereits zwei Prozent der Elfjährigen erste Erfahrungen mit Alkohol gemacht, mehr als ein Drittel aller 15-Jährigen sei schon mehrmals volltrunken gewesen. Noch erschreckender: Fast 90 Prozent aller befragten Jugendlichen hat Erfahrungen mit Alkohol.Wie man Jugendliche mit Alkohol vertraut macht

Die Alkohol-Industrie setze dabei vermehrt auf so genannte Trendscouts. Das sind junge Menschen, die herausfinden sollen, wie die Zielgruppe der Jugendlichen am besten für alkoholische Getränke umworben werden kann. So werden spezielle Feste und Veranstaltungen von den Herstellern angeboten mit dem Ziel, Jugendliche für neue Alcopops und andere alkoholischen Getränke zu werben. Gerade die Alcopops, also fertige Mischgetränke, die oft mehr Alkohol enthalten als Wein oder Bier, seien immer noch ein Problem, wenn auch mit rückläufiger Tendenz. Das Ziel der vorbeugenden Maßnahmen müsse es sein, das Eintrittsalter in den Alkoholkonsum Jugendlicher möglichst weit hinaus zu schieben und die Menge auf der Genuss-Ebene zu halten. Dazu sei aber auch das richtige Vorbild-Verhalten Erwachsener notwendig. Insgesamt sechs Referenten betrachteten bei der Tagung der Dauner Kliniken das Thema Suchtverhalten aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Dabei konnte Martina Fischer, die leitende Psychologin der Altburg bei Schalkenmehren, belegen, dass sogar bei mehrfach Abhängigen, die Alkohol, Drogen und Medikamente gleichzeitig missbrauchen, Erfolge erzielt werden können. Mehr als die Hälfte der behandelten Patienten seien nach ihrer oft sechsmonatigen Therapie auch ein Jahr danach noch vollkommen abstinent. Ein Erfolg, den Fischer auf die so genannte abstinenzorientierte Therapie der Dauner Kliniken zurückführt. Viele ehemalige Patienten hätten wieder im Berufsleben ihren Platz gefunden und seien weiter "trocken und clean". Für die drei Dauner Kliniken Rosenberg, Altburg und Thommener Höhe war die Fachtagung ein voller Erfolg, und viele der Teilnehmer lernten ganz nebenbei auch die Schönheiten der Eifellandschaft kennen.

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