Ein Bäcker legt auf

GILLENFELD. Seit 33 Jahren ist "Tonis Disco" in Gillenfeld für viele Jugendliche und jung Gebliebene ein Treffpunkt. Die Disco ist eine der ältesten in Deutschland.

"Tonis Disco" in der Pulvermaarstraße 18 ist eigentlich nur im Doppelpack zu genießen. Denn der Tanzschuppen, der etwas vom Charme vergangener Jahre hat, steht mit einem Durchgang Tür an Tür fest in Symbiose mit der Bistrokneipe "Zum Pulvermaar". Herr, Wirt oder auch einmal Discjockey in diesem Reich ist der 43-jährige gelernte Bäcker Stefan Kohla. Er hat die Disco und die Kneipe vor 13 Jahren von seinem heute 71- jährigen Vater Toni übernommen. Was sich heute "Tonis Disco" nennt, spiegelt auch einen Teil der Geschichte und Bedeutung von Gillenfeld wieder. 1907 wurde das Haus von der Familie Vosen gebaut und als "Hotel Vosen" betrieben. Bis 1936 ging das so, dann kaufte Vinzenz Kohla das Gebäude und taufte es in "Hotel zum Pulvermaar" um. Im Krieg geschlossen, erlebte das Haus mit einer Gaststätte danach gute Jahre. Eine Zeit lang betrieb Vinzenz Kohla im Hotel sogar ein Kino. Doch 1969 war Schluss mit allem. "Das Fernsehen setzte sich durch, und mit dem Fremdenverkehr war auch nichts mehr zu verdienen. Wir hätten das Hotel renovieren müssen, und das hätte sich nicht mehr gelohnt", erinnert sich Toni Kohla, der 1970 Hotel und Gaststätte übernahm. Doch was daraus machen, um neben der Arbeit in der Gillenfelder Schuhfabrik noch ein Standbein zu haben? 1971 kaufte Toni Kohla das neben seinem Hotel gelegene Kaufhaus Wagner, baute dieses um und eröffnete 1973 eine Disco. Die hieß damals noch "Pulvermaar Dancing", aber die Mehrheit seiner Gäste waren amerikanische Soldaten vom nahe gelegenen Standort Hontheim, und die hatten schnell eine andere Bezeichnung: "Tonis Disco". Das Geschäft in Disco und Kneipe lief gut, die GIs waren zahlungskräftige Kunden und tranken gern. "Die hatten damals richtig Geld und haben den Whiskey nicht gläser-, sondern flaschenweise bestellt", erzählt Stefan Kohla "Von 1973 bis Anfang der 90er - das waren die besten Jahre. Mit dem Mauerfall und dem Abzug der Amerikaner aus Hontheim ist alles zurückgegangen", sagt Toni Kohla. Zu dieser Zeit übernahm Sohn Stefan beide Lokale. "Die Kneipe hatte weiße Wände und eine Uhr daran", erinnert er sich und begann, das Lokal zu verändern. Seine Liebe zu Frankreich zeigt sich heute auch an der Inneneinrichtung der Kneipe. Die Disco ist seit zwei Jahren nur von September bis Mai geöffnet, diese Regelung hat sich als effektiv erwiesen. Am Freitag, Samstag und vor Feiertagen kommen Besucher aus dem Umkreis von Adenau bis zum Trierer Land nach Gillenfeld. "Wir sind nie auf einen Trend aufgesprungen, sondern spielen in erster Linie Rockmusik. Zudem haben wir jeden Monat Livemusik", erzählt Stefan Kohla. Doch die Zeit hat sich verändert und damit auch das Freizeitverhalten der Jugendlichen. "Die fahren heute von X nach Y, und man trifft sich nicht mehr in der Kneipe. Von den guten Zeiten der 70er- und 80er-Jahre braucht kein Mensch mehr zu träumen", so Kohla. Auch die vielen Feste und Discos von Vereinen sind ihm ein Dorn im Auge, deshalb kritisiert er den "Wildwuchs" solcher Veranstaltungen von Vereinen: "Das dürfte gar nicht sein. Die Schwarz- und Vereinsgastronomie zerstört systematisch viele Kneipen und tut uns weh". Trotzdem wird es "Tonis Disco" weiter geben, das ist für Stefan Kohla sicher - auch wenn er kämpfen muss.

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