Ein Lächeln auf dem Zebrastreifen

Horst Krämer kennt fast alle Kinder im Kreis Vulkaneifel. Denn seit 20 Jahren bringt der Polizist Vorschülern bei, wie man sicher über eine Straße kommt. Der TV hat ihn bei seiner Arbeit begleitet und gelernt, dass es beim Straße-Überqueren nicht nur auf die richtige Technik ankommt.

Daun. "Wieso hast Du eine Kanone?", fragt ein Mädchen. Es sitzt auf einem Holzstuhl in einem Kreis mit zwölf anderen Kindern und guckt den Besucher mit großen Augen an. "Ich habe keine Kanone, das ist eine Pistole", erklärt der Mann freundlich. "Piraten haben Kanonen", sagt ein kleiner Junge. Auf Schiffen. Die Frage, ob sie denn schon mal Piratenschiffe in Daun gesehen hätten, bringt die Kinder zum Johlen. Piraten in Daun, kicher, quietsch. Der Mann ist von der Polizei. Das ist sehr aufregend. Horst Krämer, so heißt der freundliche Polizist, ist gekommen, um den Vorschul-Kindern der integrativen Kindertagesstätte Daun beizubringen, wie man richtig über die Straße geht. Sie sind von jeder seiner Fragen so gebannt, dass sich beim besten Willen niemand vorstellen könnte, wie aus ihnen jemals gelangweilte Jugendliche werden könnten. Warum Kinder kein Gelb brauchen

"Woher weiß die Ampel, dass du rüber willst? Steht das in der Zeitung?", fragt Horst, wie ihn alle nennen dürfen, augenzwinkernd. Nein, da muss man natürlich auf einen Knopf drücken, wissen die Kinder. Sie wissen auch, dass Ampeln für Autos gelb leuchten, weil die ihren Motor starten müssen. Der Motor der Kinder hingegen läuft immer, deshalb brauchen sie kein Gelb. Kicher, quietsch. Zur Lektion Zebrastreifen gehört neben dem gleichnamigen Lied, das Horst Krämer mit den Kindern singt, weit mehr als Technik. "Kinder, wenn ihr über einen Zebrastreifen geht, dann guckt die Autofahrer an und macht ein freundliches Gesicht. Manche gehen so über die Straße: Muffel, muffel", sagt er mit tiefer Stimme und wiegt seinen Oberkörper brummbärig hin und her. Lautes Kindergekicher. Dabei würden die Autofahrer sich so sehr über ein Lächeln freuen. Eine Aussage, die der Praxistest bestätigt. Autofahrer sind verrückt nach lächelnden Kindern. So viele strahlende Gesichter dürfte der Dauner Ze-brastreifen schon lange nicht mehr gesehen haben wie an diesem Tag. Mit jedem einzelnen Kind übt Krämer das Straße-Überqueren. Hand rausstrecken, gucken, wenn die Autos halten gehen, beim Gehen nochmal gucken und natürlich: Autofahrer anlächeln. Geschafft. Während die Gruppe applaudiert, geben die strahlenden Autofahrer fast unwillig Gas. Fußgängerführerschein gegen großes Versprechen

Auf dem Weg von Kita zu Ampel zu Zebrastreifen wechseln sich die Kleinen ab: Jeder darf mal an Horsts Hand gehen. In diese Hand geben sie ihm - nachdem er ihnen ihren bunten Fußgängerführerschein überreicht hat - im Gegenzug ein dickes Versprechen: immer gut zu gucken, bevor sie über die Straße gehen. Viele von ihnen erinnern sich noch an all das, wenn sie ihm später in der dritten Klasse beim Fahrradführerschein wiederbegegnen, und hin und wieder zückt sogar ein muffliger Jugendlicher strahlend seinen bunten Führerschein, wenn er dem Polizisten mal wieder begegnet. Extra Verkehrserziehung: Jedes Frühjahr bringt Horst Krämer etwa 700 Vorschul-Kindern aus den 25 Kindergärten des Landkreises Vulkaneifel bei, wie man eine Straße sicher überquert. Im Laufe der vergangenen 20 Jahre hat er so fast alle Kinder der Region kennengelernt. "Schwer an der Arbeit ist nicht, das Kind über die Straße zu bringen", sagt er, "sondern auch dem 80. Kind noch die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken wie dem ersten." Inzwischen könne er die Früchte seiner Arbeit ernten: Diejenigen, die ihm einige Jahre später im Verkehrsgarten wiederbegegnen, kennnen ihn bereits und haben keine Angst mehr vor seiner grünen Uniform. Neben der Verkehrserziehung ist auch dies eins seiner Ziele: den Menschen die Scheu vor der Polizei zu nehmen. (kah)

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