Eine Frau mit vielen Seiten

MÜRLENBACH. Wo soll man bei Mathilde Reichertz, der Frau mit vielen Interessen, Ehrenämtern und einem noch größeren Herzen für ihre Mitmenschen, anfangen? Ein Versuch: 33 Jahre lang Seminarleiterin zu sozialen Themen mit tausenden Teilnehmern aus der Region, Gründerin des "Regio Aktiv Kreis ab 55", Kulturwartin des Eifelvereins, Entertainerin in Altenheimen, ehrenamtliche Helferin im Trierer Dom und, und, und.

"Da kriegt man ja einen roten Kopf. Ich bin viel lieber im Hintergrund", sagt die 64-jährige Mathilde Reichertz, als sie den zweiseitigen Brief von Maria Clemens aus Freilingen liest. Clemens hatte die ehemalige Referentin der Landvolkhochschule Kyllburg für die TV-Serie "Menschen ganz nah" vorgeschlagen. Ihrer Meinung nach gebührt Reichertz nämlich "herzlichen Dank und große Anerkennung für alles, was sie für ihr Mitmenschen getan hat und immer noch tut".Monatliche Radfahr-Tage

Obwohl die gebürtige Mürlenbacherin seit fünf Jahren im Ruhestand ist, hat sie immer noch einen vollen Terminkalender. Vorgestern war sie mit Senioren zur Ausstellung "Pharaos Gold" in Bonn. Für den Regio Aktiv Kreis ab 55 organisiert Reichertz Tagesfahrten und Wochen-Freizeiten. Als Kultur-, Reise- und Geschichtsinteressierte hat sie den Kreis gegründet, der der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) angeschlossen ist. "Ich lebe einfach meine Interessen gemeinsam mit anderen. Unsere Gesellschaft braucht mehr denn je Gemeinschaften", erklärt sie ihre Motivation. Aus ihrer 33-jährigen Erfahrung als KEB-Referentin an der Landvolkhochschule wisse sie um die Scheu vieler, sich alleine aufzumachen. Neben kulturellen Fahrten organisiert sie auch Wanderwochen in der Schweiz oder Gesundheitswochen in einem Kurhotel im Schwarzwald. Bis zu 25 Teilnehmer zählt der Regio Aktiv Kreis. Im TV-Interview verrät Reichertz ihre neueste Idee: "Sobald das Wetter besser wird, sollen monatliche Radfahr-Tage stattfinden. Unsere Radwegenetz bietet wunderschöne Strecken und Ziele." Als Kulturwartin ist sie schon seit vielen Jahren für den Eifelverein tätig. So hat sie Mundart-Gedichte und Geschichten der Heimatdichterin Gertrud Tintes (1899 bis 1992) aus deren handschriftlichen Notizen (in Sütterlin) neu zu Papier gebracht. Am Sonntag, 13. März, wird sie in Mürlenbach Texte zweier anderer Heimatdichter vorstellen. Nebenher stehen noch Proben mit dem sechsköpfigen Gitarren-Ensemble auf dem Programm. "Seit 15 Jahren treten wir regelmäßig alle vier Wochen in Altenheimen auf, um mit den Senioren alte Volksweisen zu singen", sagt Reichertz. Als Referentin hat sie während ihrer mehr als drei Jahrzehnte langen Tätigkeit mehreren tausend Teilnehmern in den unterschiedlichsten Lebenssituationen geholfen. Sie erinnert sich: "Ende der 70er Jahre fragte mich eine Frau nach speziellen Trauerseminaren, weil sie nicht über den Tod ihres Mannes hinweg komme. Da wir nichts anbieten konnten, haben wir ein Konzept ausgearbeitet." Einer der ersten Anbieter seien die Kyllburger auch bei der Hilfe für pflegende Angehörige gewesen. "Was heute als normal gilt, war vor gut 20 Jahren noch nicht in den Köpfen der Leute, nämlich das pflegende Angehörige auch mal eine Auszeit brauchen", sagt Reichertz. Rasch hätten sich der Gesprächskreis und Wochenendfreizeiten gebildet, so dass die Angehörigen "auch mal ohne schlechtes Gewissen aus dem Haus kamen". Lachend erinnert sich die Rentnerin an die vielen Familienfreizeiten und "Fünf-Wochen-Kurse". Bei diesen Kursen gab sie jungen Teilnehmern, fast ausschließlich aus landwirtschaftlichen Betrieben, Einblicke ins kulturelle und soziale Leben. "Wir fuhren mal in die Oper nach Wiesbaden, besuchten das Europa-Parlament oder gingen ins Gefängnis und Kindergärten. Eben Sachen, die von zu Hause aus nicht gemacht wurden", erzählt sie. Als "faszinierend" beschreibt sie ihre ehrenamtliche Tätigkeit im Besucherdienst des Trierer Doms."Wie eine Haut, die mich umschließt"

Die generationsübergreifende Arbeit habe sie sehr geprägt, sagt Reichertz. "Weil ich ledig war, konnte ich den Beruf so erfüllend leben. Das ist einfach noch heute ein Stück von mir - wie eine Haut, die mich umschließt", erklärt die warmherzige Frau.

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