Fliegenschiss und Schleifer

Der Gerolsteiner Schmied und Stellmacher Johann Peter Schneider (1843 - 1914) hat vermutlich das erste und damit älteste Fahrrad Deutschlands mit Pedalantrieb gebaut. Als er damit nachweislich und ungedopt 1863 von Malmedy nach Gerolstein fuhr, bekreuzigten sich die Leute.

Sie riefen ihm "verrückter Scherenschleifer" nach und schlugen vor Schreck die Haustüren zu. Heute, 142 Jahre später, sind wieder Radfahrer in der Brunnenstadt aufgetaucht. Statt sich zu bekreuzigen, danken die Tourismusfachleute dem Himmel, Gewerbetreibende öffnen ihre Türen und stellen die neuen "Ritter der Landstraße" als Pappkameraden mit stramm sitzenden Hosen in ihre Läden. In Gerolstein dauert manches etwas länger! Das Radteam ist cyan-blau gekleidet, der Sponsor behauptet "Leben macht durstig", und der Name der Stadt wird in der ganzen Welt bekannt gemacht. Daun, Hillesheim, Prüm, Wittlich, Bitburg - in diesem Zusammenhang nicht mehr als ein Fliegenschiss auf der Weltkarte! Doch der Gerolsteiner Mensch an sich zeichnet sich durch eine tiefe Bescheidenheit und Zurückhaltung aus, Euphorie hält er für eine ansteckende Krankheit. Er regt sich höchstens auf, wenn die Helenenquelle an der Kyll mal abgesperrt wurde und er sich nicht kostenlos mittels riesiger Leergutbatterien mit "seinem" Mineralwasser versorgen kann. Und warum nicht gleich in jedes Haus einen Mineralwasseranschluss verlegen, schließlich liegen weit mehr als 20 Quellen in der Stadt. Der scheidende Leiter der Verbandsgemeindewerke Gerolstein, Karl Seidel, hat das nicht geschafft, nun ist sein Nachfolger Karl Servatius gefordert. Er sollte das Projekt sehr bald in die Wege leiten, ehe das Ratsmitglied Hans Joachim Stief die neue freie Wählergruppe DFA = "Drees für alle" gründet. Ein mineralisches Prösterchen auf Johann Peter Schneider sowie auf die oder den Gerolsteiner von

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