Geglückte Ehe zwischen Tradition und Moderne

Den 400. Geburtstag feiert das "Greisse-Haus" in einem so schönen und gepflegten Zustand, den es allenfalls in den ersten Jahren seines Bestehens hatte. Die vorbildliche Renovierung hat es seinem Besitzer Gerd Ostermann (Birgel) und dem Architekten Roland Thelen (Mehren) zu verdanken. Den Bau des Hauses im Jahr 1608 bestimmte die Dendroarchäologin Sibylle Bauer (Trier).

Mehren. Auffällig unauffällig, schlicht und bescheiden, quadratisch und zweistöckig steht das Wohnhaus in der Steininger Straße. Liebhaber alter Häuser finden es bildschön. Vor allem dem Besitzer Gerd Ostermann ist es zu verdanken, dass es das Haus, das neben dem spätgotischen Chor der alten Pfarrkirche das älteste noch erhaltene Gebäude in Mehren ist, überhaupt noch gibt. "Abreißen und Doppelgarage bauen" hätten seinerzeit die Empfehlungen der Leute gelautet, erinnert sich Ostermann an die Zeit nach dem Kauf des Hauses im Jahr 2000. "Der Einzige, der mich von Anfang an bestärkt hat", sagt er mit Blick auf Roland Thelen. Das Riesenglück, hier einziehen zu dürfen

Dass das Haus bereits 1608 erbaut worden sei, habe sich bei der wissenschaftlichen Untersuchung von zwei Balkenscheiben durch Sibylle Bauer als eine Überraschung erwiesen, erklärt Ostermann. Denn auch Fachleute hätten das Gebäude für mindestens 100 Jahre jünger gehalten. Inzwischen ist die zeit- und kostenaufwendige, von der Dorferneuerung und Denkmalpflege unterstützte Restaurierung nach dem Prinzip "Erhalt der Tradition und Anpassung an die Moderne" mit der konsequenten Verwendung der historischen Baumaterialien Holz, Lehm, Naturstein und Kalk längst abgeschlossen. Bau- und Bewohnergeschichte sind umfassend recherchiert und dokumentiert (siehe Extra). Seit 2004 ist das Haus bewohnt; beim Mieterwechsel vor einem halben Jahr hatte das junge Ehepaar Winbush "das Riesenglück, einziehen zu dürfen".Das Haus ist ursprünglich aus Bruchstein und Fachwerk errichtet, die straßenseitige Fassade später aus Stein neu aufgemauert worden. Wer durch die weinrote Haustür tritt, steht in der ehemaligen Flurküche mit dem großen Rauchfang. Dahinter - früher eine gute Stube - liegen heute das Bad (alte französische Landhausfliesen!) und die Küche (Spülmaschine, Elektroherd, Dunstabzugshaube...). Im Obergeschoss sind zwei Kammern (Schlafzimmer und Büro), im Dachgeschoss - wo früher Getreidelager und Rumpelkammer waren, wo es hereinregnete und der Firstbalken halb verfault war - ist heute das Wohnzimmer mit einem selten gesehenen Charme. Darin dominierend: "ein Sprengwerk mit Firstsäule und Streben", wie Architekt Thelen die interessante, ganz und gar unübliche Stützkonstruktion bezeichnet, die er als Student zunächst als Abbildung im Lehrbuch und dann im Original am Giebel des "Greisse-Hauses" in seinem Heimatdorf entdeckt habe.Unbeschadet habe das Haus die Stürme und Kriege von vier Jahrhunderten überstanden, gescheitert sei es fast an den Anforderungen des 21. Jahrhunderts. "Doch nach seiner Renovierung ist es auch für die neue Zeit gerüstet", sind sich Ostermann, Thelen und Sibylle Bauer einig. Wer das Haus besichtigen möchte, hat am "Tag des offenen Denkmals" am Sonntag, 14. September, Gelegenheit dazu. EXTRA Das "Greisse-Haus" gehörte im 17. Jahrhundert zu den drei Dutzend "Feuerstellen" in Mehren, die den 30jährigen Krieg unbeschadet überstanden hatten. Mit nur wenigen Häusern im unteren Teil der Steininger Straße blieb das "Greisse-Haus" von dem großen Dorfbrand am 4. Juni 1847 verschont (98 Wohnhäuser mit Stallungen und Scheunen wurden zerstört und 600 Menschen obdachlos). Vor Bombenangriffen am Ende des zweiten Weltkrieges blieb ganz Mehren bewahrt. Die Windhose vom 18. August 2004 beschädigte Häuser in der Nachbarschaft, zerstörte am "Greisse-Haus" aber nur einige Dachpfannen. Weitere Infos bei Gerd Ostermann, Bahnhofstraße 20, 54587 Birgel, Telefon 06597/2022. (bb)

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