Hinter jeder Zahl steht ein Schicksal

BITBURG/DAUN. In dieser Woche ist ist es soweit: Der gemeinsame Kinderschutzdienst (KSD) der Kreise Bitburg-Prüm und Daun wird offiziell eröffnet.

 Ob sexueller Missbrauch oder seelische Misshandlungen, oft sind die Täter keine Fremden, sondern kommen aus der eigenen Familie. In jedem Fall brauchen die Opfer dringend Hilfe.Foto: TV -Archiv/Gabi Vogelsberg

Ob sexueller Missbrauch oder seelische Misshandlungen, oft sind die Täter keine Fremden, sondern kommen aus der eigenen Familie. In jedem Fall brauchen die Opfer dringend Hilfe.Foto: TV -Archiv/Gabi Vogelsberg

Der offizielle Termin am Donnerstag in Daun markiert den letzten Meilenstein eines holprigen Wegs bis zur Einrichtung des Kinderschutzdienstes. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die Jugendhilfeausschüsse im April vergangenen Jahres. Der KSD betreute im vergangenen Jahr 52 missbrauchte oder misshandelte Kinder langfristig. 54 erhielten kurzzeitige Beratung. "Der KSD ist wichtig und wird gebraucht", zieht Winfried Wülferath, Geschäftsführer der Caritas Region Westeifel, Bilanz. Die Caritas ist neben der Interessengemeinschaft Kinderschutz (IGKS) und den beiden Landkreisen Träger des Kinderschutzdienstes. Bezuschusst werden die 1,5 Stellen des KSD vom Land mit 30 000 Euro im Jahr. Und das war der Haken im langwierigen Entscheidungsprozess der Kommunen.Kopfzerbrechen wegen der Finanzierung

Wülferath erinnert sich: "Das Land stellte die Bedingungen mit mindestens 1,5 Stellen, die mit Experten besetzt sein sollten; die Kommunen hingegen klagten, der Zuschuss des Landes sei zu gering. Deshalb sollte nachverhandelt werden." Doch die Verhandlungen blieben erfolglos, es blieb beim Standardsatz von 20 000 Euro je Stelle. Caritas und IGKS steuern zusammen 10 000 Euro bei, bleiben für die Landkreise ein Rest von 85 000 Euro im Jahr (Daun 34 000 Euro, Bitburg-Prüm 51 000 Euro). Die Einrichtung des KSD stand lange Zeit auf der Kippe. Niemand wollte sich aus der Verantwortung stehlen, aber die Finanzierung bereitete Kopfschmerzen. Dabei zweifelte an der Notwendigkeit des KSD kein Mitglied der Jugendhilfeausschüsse. Diplom-Sozialpädagogin Karin Knötgen und Diplom-Psychologin Heide Schmidtmann besprachen bei der Sitzung des Dauner Jugendhilfeausschusses einige anonyme Fälle ihrer Arbeit. Sie konnten aus Erfahrung sprechen, denn es existierte bereits, initiiert von der IGKS, ein über fünf Jahre angelegtes Modellprojekt (1996 bis 2001) in den beiden Landkreisen. Wülferath erklärt: "Bereits im Frühjahr 2001 setzten wir uns für die offizielle Einrichtung eines KSD ein. Die damals gängige Praxis war einfach nicht mehr umsetzbar." Viel zu viele Anfragen gingen ein und konnten nicht angenommen werden. Honorarkräfte waren kaum zu finden. "Die jetzt Festangestellten Schmidtmann und Knötgen konnten damals nur zu etwa 20 Prozent eingesetzt werden", rechnet Wülferath vor. Ursula Eisele, KSD-Referentin im Landesjugendamt, ist beeindruckt von der Kooperation in der Eifel. Sie sagt: "Dass zwei Jugendämter sich zusammentun, findet sich beim KSD häufiger im Land, aber diese Kooperation mit Caritas und IGKS ist einmalig." Eisele unterstreicht außerdem die Bedeutung des KSD: "Das Problem von Gewalt gegen Kinder ist weitaus größer als in der Bevölkerung bekannt. Der Missbrauch im sozialen Nahbereich bringt die Kinder in große Not, gepaart mit meist massiven Spätfolgen."Quantitativ und qualitativ ausbauen

Sie habe 20 Jahre Berufserfahrung als Kinder- und Jugendpsychologin und wisse, dass die Arbeit im KSD "mit das Komplizierteste sei". Deshalb verlange die Arbeit Kompetenz, sprich den Einsatz von "Leuten mit sehr speziellem Wissen". Darauf besteht auch Sissi Westrich, Referentin für Kinderpolitik im Jugendministerium und zuständig für die 14 KSD im Land. Sie sagt: "Wir wollen die Kinderschutzdienste nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ ausbauen. Wir bieten zentrale Fortbildung und Konzeptionierung auf Landesebene an." Der Ausbau sei sichergestellt. So wäre der "Eifel-KSD" auch mit zwei statt 1,5 Stellen gefördert worden, wenn die Kommunen dies beantragt hätten.Fördersatz ist schon seit Jahren konstant

Auch für 2003 seien Mittel für einen weiteren KSD mit zwei Stellen bereitgestellt. Westrich bestätigt, dass der Fördersatz "seit mehr als zehn Jahren konstant ist". Prognosen, wann und ob künftig mit mehr zu rechnen ist, wagt sie nicht. Sie meint: "Wir müssen auf Vergleichbarkeit achten und können dem KSD in der Eifel nicht mehr geben als anderswo im Land." Seit der offiziellen Einrichtung des KSD im Juli 2002 ist die Arbeit für Schmidtmann, Knötgen und die Honorarkräfte einfacher geworden. Sie arbeiten kreisübergreifend, und auch gegenseitige Vertretungen sind möglich. "Die Anfragen schaffen wir im Moment, aber für Prävention bleibt keine Zeit. Die wird schwerpunktmäßig ehrenamtlich vom IGKS gemacht", weiß Wülferath. Die 2002er-Statistik des KSD weist 52 langfristige und 54 kurzzeitige Beratungen aus. Dabei führt in beiden Kreisen der sexuelle Missbrauch bei den langfristigen Beratungen die Liste an: Im Kreis Daun sind es 17 Fälle, im Kreis Bitburg-Prüm elf Fälle. Auch gegen seelische Misshandlungen, Vernachlässigungen oder die Kombination von allem kämpft der KSD. Und: Hinter diesen Zahlen stehen bewegende Kinderschicksale.

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