Horst Seehofer sei Dank

KELBERG. Aus dem Ärger über die Gesundheitspolitik heraus hat Rolf Wagner ein automatisiertes Warenlager für Apotheker entwickelt. Seine Kelberger Firma zählt mittlerweile knapp 90 Mitarbeiter.

"Eine Zugfahrt, die ist lustig, eine Zugfahrt, die ist schön..." - so lautet, leicht abgewandelt, die Zeile eines Volkslieds. Ganz und gar nicht schön waren die Gespräche, die Rolf Wagner während der Fahrt mit einem Intercity von Köln nach Hamburg 1993 führte. Ihm gegenüber saß die Dauner Apothekerin Sabine Mehls mit ihrem Mann Uli Mehls, die sich von der Politik des damaligen Gesundheitsministers Horst Seehofer stranguliert fühlten. Wagner, Chef des Kelberger "Wagner Maschinenbau" (WMK) hatte zu dieser Zeit mit dem Absprung des Hauptauftraggebers zu kämpfen.Potenzielle Abnehmer zunächst sehr skeptisch

Aus dem angeregten Plausch über Möglichkeiten, den Arbeitsprozess in Apotheken zu rationalisieren, entstand in Kelberg ein neues Unternehmen, das heute 86 Mitarbeiter zählt. 1996 mit vier Mitarbeitern gegründet, entwickelt und fertigt die von Wagner und seinem Freund Markus Willems aus der Taufe gehobene "Rowa Automatisierungssysteme" computergestützte Warenlagersysteme speziell für Apotheken. Wagner hat damit sein Ziel erreicht, ein Nischen-Produkt auf den Markt zu bringen, mit dem er nicht mehr von einem großen Auftraggeber abhängig ist. Die Entwicklung des Miniatur-Hochregal-Lagers (Funktionsweise siehe Stichwort) nahm rund vier Jahre in Anspruch. Dabei ließ Wagner die Ratschläge seines früheren Professors an der Uni Aachen links liegen, der seinen Maschinenbau-Studenten riet, nur dann mit einem neuen Produkt aufzutreten, wenn der Markt-und Technologiezugang gesichert ist. "Das einzige, was wir hatten, war die Idee und gute Leute", erinnert sich der gebürtige Adenauer. "Wie ein Verrückter" habe er Ausschau nach Informationen und Experten gehalten, manchmal nächtelang nicht geschlafen. Eine weitere Hürde: "Ich brauchte Geld, was nicht minder schwierig war." Wagner versuchte gerade in der Krise seines Maschinenbau-Unternehmens, das neue Produkt voranzutreiben. Da blieb kaum Spielraum für Eigenmittel. Doch er angelte sich einen Mittelsmann, der die Hand an den Fördertöpfen des Landes hatte. "So wurden 35 Prozent meiner Kosten bis zum Prototyp getragen", sagt Wagner.Zehn Vertriebspartner in Europa

Seine späteren potenziellen Abnehmer waren jedoch lange äußerst skeptisch. "Als wir unsere Neuheit auf der Expopharm, der größten Pharma-Messe, 1995 erstmals vorstellten, standen wir da wie Missionare", erinnert sich der 42-Jährige. Warum niemand vor ihm auf die Idee kam? "Eine bezahlbare Umsetzung existierte noch nicht" sagt Wagner. Immerhin kostet das System heute auch noch so viel wie eine kleine Eigentumswohnung. Aber es scheint sich zu rentieren. Zehn Vertriebspartner hat Rowa in Europa. Die Kommissioniergeräte stehen nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden, England, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Portugal oder Italien. Rückblickend wurde die Zugfahrt 1993 für Wagner somit doch noch schön und lustig. Und Erfindungs-Patin Sabine Mehls? Sie hat kürzlich auf das Rowa-System umgesattelt - und einen "Freundschaftsrabatt" (Wagner) bekommen.

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